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Dornroeschengift

Dornroeschengift

Titel: Dornroeschengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Flüsterorgie feierten. Klar, sie waren j a auch die Klatschzentrale des Schulhofes und mussten die Ge rüchteküche am Laufen halten . »Ich muss los«, sagte ich zu Frau Mader und schob mic h schnell an ihr vorbei. Die Enttäuschung verwandelte ihr run des Gesicht unter der Dauerwelle zu einem großen Mond . Doch schließlich überzog ein Lächeln geheuchelten Verständ nisses ihr Gesicht . »Du weißt ja, wo du mich findest«, wiederholte sie . Mein widerwilliges Ja war kaum zu verstehen .
    Meine kalten Hände rutschten am Metall ab, als ich versuchte , das Fahrradschloss zu schließen. Das Rad kippte um und bracht e innerhalb weniger Sekunden alle anderen zu Fall. Eine Reihe na gelneuer Mountainbikes kam wie Dominosteine zum Einsturz . »Loser«, hörte ich einen Siebtklässler rufen. Er rannte hinter mi r vorbei und stieß mir den Ellbogen in die Rippen . Na super! Ich hätte alles darum gegeben, den Tag noch einma l von vorn beginnen zu dürfen. Es war wie ein Sonnenaufgan g von schlechter Laune . »Bist du gestern gut nach Hause gekommen?«, hörte ich ein e Stimme hinter mir . Ich wandte mich um . Finn stand vor mir, einen grauen Schal um den Hals gewunden , die Hände tief in den Taschen seines Mantels . »Sieht so aus«, murmelte ich . Er warf mir einen prüfenden Blick zu und hob mein Fahrrad auf . »Danke«, nickte ich – und schwieg . Mir fiel einfach nichts ein, was ich sagen könnte . Finn rieb sich die Hände. »Sag mal, ist das Wetter hier norma l für April? Ich frag nur, falls es morgen anfängt zu schneien. « Ich musste lachen. »Ja«, flachste ich. »Im Juni friert meistens di e Ostsee zu, dann können wir Schlittschuh laufen. « Er grinste . Wieder Schweigen . »Sag mal, hättest du Lust, irgendwann einmal etwas zusamme n zu unternehmen?«, fragte er schließlich . Oh, mein Herz klopfte heftig bei diesem Vorschlag. Ehrlich, e s hörte sich an, als riefe es laut: Ja, ja, ja . Doch als in dieser Sekunde die Schulglocke ertönte, murmelt e ich verlegen: »Mal sehen«, und verschwand im Schulhaus . Sofie, wirklich toll, da hast du ja wieder einmal deinen ganze n Charme bewiesen .
    Im Klassenzimmer rekelte sich Jamaica bereits auf ihrem Platz. Sie hatte die Füße, die in halbhohen schwarzen Chucks steck ten, auf meinem Teil des Tisches liegen. Die Hände hinter dem Nacken verschränkt, starrte sie zum Fenster hinaus. Auf dem weißen Kurzarmshirt stand: »Ich bin nicht auf die Welt gekom men, um zu sein, wie andere mich gern hätten.« Nun, diese Botschaft brauchte Jamaica nicht groß zu verkün den. Sie war bei Lehrern wie Eltern berüchtigt: laut, lebhaft, dunkelhäutig, kräftig, groß, sportlich – und damit nicht genug, trieb sie sich mit den Jungs aus den oberen Klassen herum. De nen nichts heilig schien, was den Rest der Menschheit interes sierte. Die Lehrer wären sie gerne losgeworden, doch Jamaica schaffte es immer am Ende des Schuljahres, in die nächste Klas se vorzurücken. Seltsamerweise hatten wir uns in den letzten drei Monaten an gefreundet. Sofie, die Brave, und Jamaica, der Outlaw. Das idea le Paar. »He«, sagte sie nun und nahm die Füße vom Tisch. »Worüber habt ihr geredet?« »Wer?« Ich packte meine Bücher aus und stapelte sie auf dem Tisch, wobei ich Jamaicas Chaos, so gut es ging, auf ihre Seite schob. Mike hatte mich immer mit meiner Ordnungswut geneckt, aber nach seinem Verschwinden war es schlimmer geworden. Mir fiel es leichter, wenn es um mich herum wenigstens so aussah, als sei alles an seinem Platz. Chaos gab es schon genug in mei nem Inneren. »Erde an Sofie!« Jamaica wedelte vor meinem Gesicht herum. »Sag mal, wie hast du es nur geschafft, Mister Silence zum Re den zu bringen? Bist du Jesus?« »Wovon redest du eigentlich?« »Von Finn! Gestern Abend hast du mit ihm getanzt, er wollte dich nach Hause bringen und heute hilft er dir beim Einparke n deines Fahrrades. « Ich schob ruhig eine neue Patrone in meinen Füller und spitzt e die Bleistifte . »Ach der«, sagte ich gelangweilt. Auffällig gelangweilt . Ihr Blick war durchdringend. Die Pupillen waren ganz schwar z vor Neugier . »Der spricht doch sonst mit niemandem.« Sie legte den Kop f schräg. »Vielleicht liegt es an der Sache mit Mike. Seitde m schwebt eine Aura um dich . . . « Ich sah sie warnend an, aber Jamaica fuhr fort: »Ich verstehe e s einfach nicht. Mike war ein guter Schwimmer. Ich bin oft mi t ihm um die Wette geschwommen, also warum . . . « »Der Pazifische Ozean ist nicht das

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