Dornroeschenmord
haßte sich dafür, daß Frauen diese Gewalt über ihn hatten, und konnte doch nichts dagegen tun. Seine linke Hand legte sich fest um Mandys Hals, während seine rechte ihre Beine erneut spreizte. Die Befriedigung, die er empfand, als sie unter der Wucht seines Stoßes aufschrie, war unvorstellbar.
»Ich habe ihn benutzt«, sagte Mandy am Abend darauf zu Dorothee ohne den Anflug eines schlechten Gewissens. »Ich habe ihn benutzt und dabei an Edward gedacht.«
»Sie können sich diese Frau nicht einmal in Ihren kühnsten Phantasien vorstellen«, sagte Frederick, der mit seinem juristischen Berater im »Tantris« zu Abend speiste. »Bei ihr ist man gerne Mann, und sie ist auch gerne Frau. Sie verstehen, was ich meine? Ein echtes Teufelsweib …« Frederick lächelte beim Gedanken an den vorangegangenen Abend, und sein Gegenüber lehnte sich amüsiert zurück.
»Du hast dabei die ganze Zeit an Edward gedacht?« fragte Dorothee fassungslos. »Aber um Himmels willen, warum denn? Du schwärmst von deinem Frederick doch ständig in den höchsten Tönen.«
»Weil ich es erregend fand, mit dem einen Mann zu schlafen und gleichzeitig an den anderen zu denken. Und weißt du, was das Interessanteste daran ist? Ich habe herausgefunden, daß ich Frederick nicht liebe. Ich fühle mich vollkommen frei.«
Mandy lehnte sich mit einem wohligen Seufzer in ihrem Sessel zurück und biß in ein Stück Schwarzbrot mit Landleberwurst und Senf.
»Eine Frau ist zu solcher Hingabe natürlich nur fähig, wenn sie wirklich liebt«, sagte Frederick im selben Moment und trank einen Schluck von seinem Champagner. »Dessen bin ich mir voll bewußt. Sie ist etwas ganz Besonderes, aber warum erzähle ich Ihnen das alles?«
»Weil ich Ihr Anwalt bin, und das ist fast so etwas wie ein Therapeut«, antwortete der Anwalt beflissen. »Sie weiß über Ihr kleines Geheimnis Bescheid?«
»Noch nicht«, räusperte sich Frederick, »aber ich habe vor, es ihr demnächst zu sagen. Ich bin sicher, sie wird Verständnis dafür haben – wissen Sie, es ist so viel Leidenschaft zwischen uns. Und sie ist eine Frau, die ein gewisses Maß davon braucht …«
»Warum erzähle ich dir das eigentlich?« fragte Mandy ihre Freundin.
»Weil du dadurch alles noch einmal erlebst, und das törnt dich an«, antwortete Dorothee weise.
»Wie kommst du darauf?« Mandy war überrascht.
»Nur eine Frau weiß, wozu eine Frau fähig ist.«
Frederick schwenkte völlig übergangslos zu einem anderen Thema über. »Sie kommen am Sonntag zur Premiere des neuen Cordmann-Films?«
»Ja, ich dachte, es sei eine gute Gelegenheit, ein paar neue Klienten zu werben«, meinte der Jurist.
»Und eine gute Gelegenheit, meine Freundin kennenzulernen«, sagte Frederick mit Stolz in der Stimme und erhob sein Glas.
Obwohl es spät am Samstagabend war, brannte in der Gerichtsmedizin noch Licht. Surrend umkreiste eine Wespe die Schreibtischlampe in Christoph Kempfs Büro. Von dem Insekt abgelenkt, hob der Arzt den Kopf. Die Wespe tanzte immer aufdringlicher und dicht vor seinen Augen, als führe sie etwas Bösartiges im Schilde. Gereizt schlug er nach dem Tier, das zu seiner Verwunderung mit einem protestierenden Brummen verschwand, und konzentrierte sich wieder auf seine Akten.
Es waren die Obduktionsberichte von Kerstin Wallner, Mona Krug und Elisabeth Heller. Die Morde ließen ihm noch immer keine Ruhe, insbesondere nach seinem Gespräch mit Kommissar Schwan. Und dann war da die Sorge um Mandy. Den merkwürdigen Fund in Dorothees Wohnung hatte er keineswegs vergessen.
Alle drei Frauen waren an derselben Ursache gestorben, daran bestand kein Zweifel. In seinem Gehirn kreiste unaufhörlich derselbe Gedanke: Was hatte bei drei jungen, gesunden Frauen zu plötzlichem Herzversagen geführt?
Im selben Augenblick hörte er ein angriffslustiges Summen, und ehe er sich’s versah, versenkte die Wespe ihren Stachel mit der Wucht eines Pfeils in seinen Mittelfinger.
Fluchend sprang Christoph auf und hielt die Hand minutenlang unter eiskaltes Wasser. Allmählich verebbte der Schmerz, und je mehr die Hitze aus seinem Finger schwand, desto klarer und kühler wurden seine Gedanken. Wie gut, daß ich nicht allergisch bin, schoß es ihm durch den Kopf. Es gab Menschen, für die endete ein Wespenstich tödlich. Tödlich?
Während Christoph sich mechanisch ein kühlendes Gel auf die Wunde tupfte, formte sich in seinem Kopf eine neue Theorie. Gift war es nicht gewesen, das den
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