Dornröschens Bestrafung
konnte sie nicht.
Kein Schutz, kein Versteck , dachte sie.
Und wo ist Tristan? Warum
mische ich mich nicht wieder unter die anderen? Aber als sie dies versuchte,
traf sie ein heftiger Hieb, und ein Wächter befahl ihr mit brüllender Stimme
weiterzulaufen.
Auch auf die übrigen um sie
herum hagelten die Schläge, und die kleine rothaarige Prinzessin zu ihrer
Rechten brach in hilflose Tränen aus.
„Oh, was soll nur aus uns
werden? Warum nur waren wir ungehorsam? Weh uns!“ schluchzte sie.
Doch der dunkelhaarige
Prinz neben Dornröschen warf ihr einen warnenden Blick zu: „Sei still! Oder
alles kommt noch schlimmer!“
Dornröschen musste an ihren
langen Weg ins Reich des Prinzen denken. In den Dörfern, durch die sie geführt
wurde, war sie als seine auserwählte Sklavin bewundert und geehrt worden. Doch nun
war davon keine Rede mehr. Die Menge hatte sich geteilt und bildete jetzt ein
dichtgedrängtes Spalier, als sie sich dem Tor näherten. Dornröschen konnte
Frauen in weißen Schürzen und hölzernen Schuhen und Männer in groben Stiefeln
und ledernen Wämsen sehen. In ihren rauhen Gesichtern glänzte schieres
Vergnügen.
Dornröschen verschlug es
den Atem, und sie senkte den Blick zu Boden. Sie kamen durchs Tor. Das
Schmettern von Fanfaren ertönte. Von überall her griffen Hände nach ihnen,
betasteten und schubsten sie und zerrten an ihrem Haar. Finger fuhren durch Dornröschens
Gesicht, Schläge klatschten auf ihre Schenkel. Sie stieß einen Schrei der
Verzweiflung aus und versuchte, den Händen auszuweichen, die sie grob vorwärts stießen,
unter lautem Johlen und Gelachter des Hohns und des Spottes.
Dornröschen rannen Tränen
über die Wangen, Tränen, die sie nicht spürte. Ihre Brüste pochten ebenso
heftig wie ihre Schläfen. Die schmalen Fachwerkhäuser des Dorfes kamen näher und
mündeten schließlich in einen riesigen Marktplatz. Dornröschen erblickte eine
hohe hölzerne Plattform, auf der ein Galgen drohend emporragte. In den Fenstern
und auf den Balkonen rundum drängten sich Hunderte von Schaulustigen; schreiend
schwenkten sie weiße Tücher, während andere in großer Zahl zu den elenden
Sklaven drängten und dabei die engen Gassen verstopften. Sie wurden in einen
Pferch hinter der Plattform getrieben, zu der schiefe hölzerne Stufen hinaufführten.
Dornröschen schaute hoch
und sah den ledergeflochtenen Riemen, der vom Galgen baumelte. Ein Mann stand
neben dem Galgen, die Arme über der Brust verschränkt, während ein zweiter
erneut ein Fanfarensignal ertönen ließ, als sich das Tor des Pferches hinter dem
Sklaven schloss.
Die Menge umringte sie von
allen Seiten, und nun schützte nur noch ein dünnes Gatter die zitternden
Sklaven vor der wilden Menge. Wieder griffen Hände nach ihnen; fremde Finger strichen
durch ihr Haar, jemand kniff sie in den Po. Verbissen drängte sie sich zur
Mitte, hielt verzweifelt Ausschau nach Tristan. Und wirklich erblickte sie ihn
für den Bruchteil eines Moments, als er mit roher Gewalt zum Fuß der Stufen
gezerrt wurde.
Ich will mit ihm verkauft werden , dachte Dornröschen und zwängte
sich durch die anderen, doch einer der Wächter stieß sie wieder zurück.
Und die Menge johlte und lachte.
Die rothaarige Prinzessin, die so sehr geweint hatte auf ihrem schweren Weg
hierher, war nun untröstlich. Dornröschen drängte sich an sie, um sie zu
schützen, aber auch um selbst Schutz zu finden. Die Prinzessin hatte einen
prallen Busen mit sehr großen Knospen, und ihre wallendenroten Locken fielen in
ihr tränenüberströmtes Gesicht. Ein Schrei aus tausend Kehlen war die Antwort
auf das Fanfarensignal des Herolds.
„Hab keine Angst“,
flüsterte Dornröschen. „Denk daran, dass es letztlich nicht anders sein wird
als auf dem Schloss. Sie werden uns bestrafen und zu Gehorsam zwingen.“
„Nein, bitte lass es nicht
geschehen“, flüsterte die Prinzessin, ohne ihre Lippen zu verräterisch
zubewegen. „Und ich hielt mich für so rebellisch! Glaubte, es ertragen zu
können!“
Ein drittes Mal ertönte die
Fanfare. Sofort verstummte die Menge auf dem Marktplatz, und in diese
plötzliche Stille hinein verkündete eine laute Stimme:
„Die Frühlingsversteigerung
ist eröffnet!“
Ohrenbetäubendes Geschrei
erhob sich, ein gewaltiger Chor, so laut, dass es Dornröschen den Atem
verschlug. Der Anblick ihrer eigenen Brüste, bebend und zitternd, verwirrte sie
umso mehr, und dann bemerkte sie die unzähligen gierigen Augen, die auf ihr
ruhten,
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