Dornröschens Erlösung
dich.“
Während ich darauf wartete, dass er meine Befehle ausführte,
sah ich mich um. Verschiedene andere Ponys lagen herum und lächelten mir zu. Tristan
ruhte in den Armen eines prächtigen schwarzhaarigen Rosses, das seine Brust mit
zärtlichen Küssen bedeckte. Ein anderes Pony näherte sich ihnen, wie ich sehen
konnte, doch der Schwarzhaarige verpasste ihm einen kurzen Tritt, und der
Störenfried zog von dannen. Ich lächelte. Jerard war zurück. Er badete meinen
Schwanz genüsslich und gründlich. Und unter dem warmen Wasser richtete er sich
wieder auf. Ich spielte versonnen mit Jerards Haar und dachte: Dies ist das
Paradies.
Dornröschen: Das Leben bei Hofe in all seinem Glanz
Dornröschen, vortrefflich gekleidet und mit Juwelen behängt,
wanderte im Zimmer umher, aß einen Apfel, warf dann und wann ihre lange blonde
Mähne über die Schulter und betrachtete den robusten und herrlich gekleideten
jungen Prinzen, der auf das eintönige Schloss ihres Vaters gekommen war, um ihr
seine Aufwartung zu machen und um ihre Hand anzuhalten. Ein unschuldiges
Gesicht. Mit leiser, inbrünstiger Stimme sprach er die Worte aus, die sie
erwartet hatte: dass er Dornröschen liebte und mehr als glücklich wäre, sie zu
seiner Königin zu machen, dass ihre Familien höchst erfreut wären über diese
Verbindung.
Eine halbe Stunde zuvor hatte Dornröschen diese widerliche
Schmährede unterbrochen und ihn gefragt, ob er je von den seltsamen
Gewohnheiten im Königreich von Königin Eleanor gehört hätte. Aus weit
aufgerissenen Augen hatte er sie angestarrt und gesagt: „Nein, meine Lady“.
„Nein, meine Lady.“
„Schade.“
In diesem Moment fragte sie sich, warum sie den Prinzen
nicht fortgeschickt hatte. Sie hatte viele Männer fortgeschickt, seit sie in
das Schloss ihres Vaters zurückgekehrt war. Doch ihr Vater obgleich enttäuscht
- fuhr fort, Briefe zu schreiben, weitere Gäste einzuladen und noch mehr Freiern
die Türen zu öffnen. Des Nachts lag Dornröschen in ihren Kissen und weinte, und
ihre Träume waren stets die gleichen: Sie träumte von den verlorenen
Vergnügungen der Welt, die sie jenseits der Grenze ihrer Heimat kennengelernt
hatte; ein Thema, über das niemand bei Hofe wagte zu reden, und das sie selbst mit
keinem Wort erwähnte, weder privat noch öffentlich. Sie hielt inne und besah
sich nun den jungen Prinzen genau. Sie warf den halb gegessenen Apfel weg. Etwas
an diesem jungen Mann faszinierte sie. Natürlich war er ansehnlich. Sie hatte
es jedermann wissen lassen, dass sie nur einen hübschen Mann heiraten würde. Und
niemand hielt dies für ungewöhnlich bei einer so schönen Prinzessin.
Nein, da war noch etwas anderes bei diesem hier. Er hatte
tiefblaue Augen - beinahe wie Inanna oder Tristan. Er war blond - wie Tristan -,
dunkelgoldenes Haar lag dick und buschig um sein Gesicht und gab nur den
unteren Teil des Nackens frei. Reichlich verführerisch, der Anblick seines bloßen
Nackens, dachte Dornröschen. Und der junge Mann war groß und breitschultrig, gar
so wieder Hauptmann der Garde und Laurent. Ach, Laurent! An Laurent dachte sie
am meisten. Der Hauptmann der Garde war eine dunkle, gesichtslose Wache in
ihren Träumen. Der Klang seines Riemens erschallte und erstarb. Doch Laurents
lächelndes Gesicht und seinen prächtigen Schwanz sah sie ständig vor sich. Laurent!
Etwas war jetzt anders in diesem Raum. Der Prinz war
verstummt und starrte Dornröschen an. Seine höfische Leidenschaft war nun zu einem
seltenen und ernsten Schweigen geschmolzen. Er stand da, die Hände auf dem
Rücken, sein Umhang hing von einer Schulter herab, und das Gefühl der
Traurigkeit überkam ihn.
“Ihr werdet mich abweisen, wie Ihr all die anderen
abgewiesen habt, nicht wahr, meine Lady? “fragte er leise. „Und Ihr werdet für
immer in meinen Träumen sein.“
„Wirklich? “ fragte sie. Etwas in ihr regte sich.
“Ich wünschte so sehr, Euch gefallen zu können, Prinzessin“,
flüsterte er.
Euch gefallen, Euch gefallen, gefallen. Die Worte ließen sie
lächeln. Wie oft hatte sie das gehört in jener fernen Welt des Schlosses und
des Dorfes und selbst in der noch weiter entfernten Welt des Sultans. Wie oft
hatte sie selbst diese Worte benutzt?
“So? Tut Ihr das, mein lieber Prinz? “ fragte sie freundlich.
Sie war sich bewusst, dass sich ihre Haltung geändert und dass
er es bemerkt hatte. Regungslos stand er da und betrachtete sie. Die Nachmittagssonne
fiel in breiten Strahlen auf den
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