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Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
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ausgesehen?«
    Nelson hatte seinen eigenen Ring gezeigt. »Wie dieser hier.«
    Â»Ein schlichter goldener Ring?«
    Â»Ja.«
    Â»Okay. Und was hat er für eine Gravur?«
    Â»Keine.«
    Â»Keine Gravur?«
    Â»Wir haben … wir … nein. Er hat keine Gravur.«
    Wenn Nelson und Carol in die Provence zögen, bräuchten sie kein riesiges Château. Schließlich waren sie nur zu zweit und hatten einen einfachen Geschmack. Alles, was sie bräuchten, wäre ein kleines Häuschen mit einem Schlafzimmer, einem hübschen Garten und einer schönen, großen Küche, in der Carol kochen könnte.
    Dann wird es uns bessergehen.
    Man hatte Carols Brieftasche im alten Neff’schen Haus entdeckt. »Sie enthielt den Führerschein von Ihrer Frau und hundert Dollar bar«, hatte Detective Morasco heute am Telefon zu ihm gesagt.
    Â»Sie hat nur eine Kreditkarte, und die bewahrt sie immer in der Küchenschublade auf. Sie ist nämlich sehr genügsam«, hatte Nelson ihm erklärt.
    Seine Stimme hatte leicht gekrächzt, aber wenigstens hatte er instinktiv gesagt »sie ist« und nicht »sie war«. Carol war für ihn auch weiterhin ein Teil der Gegenwart. Und das war doch bestimmt ein positives Zeichen, oder etwa nicht?
    Anfangs hatte Nelson noch gedacht, dass Carol freiwillig gegangen war. Er hatte sich vorgestellt, wie sie eine der Nachbarinnen – vielleicht Gayle Chandler aus dem Buchclub – am Sonntag spätabends angerufen und sie im Flüsterton gebeten hatte, sie zum Busbahnhof zu fahren. Der lag nämlich in White Plains, weswegen er zu Fuß kaum zu erreichen war. Weiter hatte er sich vorgestellt, dass seine Frau nach dreiundzwanzig Jahren Ehe irgendwohin aufgebrochen war, wo sie nie zuvor gewesen war, nach Phoenix oder Cleveland, Memphis oder Des Moines. Dass seine praktisch veranlagte Frau, gebeutelt von der Mutter aller Midlife-Krisen, mit nichts als ihrer Brieftasche und den Kleidern, die sie am Leib getragen hatte, aufgebrochen war, um irgendwo ein neues Leben zu beginnen, ganz allein, ohne ihn.
    Das hatte seinen Zorn geweckt. Einen Zorn, von dem er niemals angenommen hätte, dass er ihn jemals empfinden könnte, einen Zorn, der derart groß gewesen war, dass er ihn sich nur widerstrebend eingestand.
    Als er an dem Abend auf das Polizeirevier gefahren war, hatte er das weniger aus echter Sorge als vielmehr aus Wut getan. Das wird ihr eine Lehre sein, hatte er sich gesagt. Wenn sie wieder nach Hause kommt, wird sie von der Polizei gesucht, und das wird ihr sicher furchtbar peinlich sein. Und noch schlimmer hatte es die Tatsache gemacht, dass auch die Polizei zu denken schien, Carol wäre aus freien Stücken abgetaucht. Denn deshalb hatte sich die große Suchaktion zunächst darauf beschränkt, dass die diensthabende Polizistin lustlos aufgeschrieben hatte, eine gewisse Carol Wentz würde von ihrem Ehemann vermisst.
    Als Nelson wieder heimgefahren war, hatte er die ganze Welt gehasst. Er hatte seinen Wagen in der Einfahrt abgestellt und wütend auf die Garage gestarrt, in der Carols Wagen stand. Es war eine einfache Garage für nur einen Wagen, und während der ganzen Jahre hatte er sie Carol überlassen – hatte ihr erlaubt, ihren Volvo darin abzustellen, während sein eigener Golf nachts in der Einfahrt und während der Wochentage auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof Wind und Wetter ausgeliefert war, ein Wagen zweiter Klasse – eine kleine Arbeitsbiene wie er selbst.
    Er hatte den Volvo durch das schmale Fenster an der Seite der Garage, Carols Garage, böse angestarrt, und es war ihm vorgekommen, als sähe das geschlossene Tor ihn wie ein riesiger, geschlossener Mund mit einem gehässigen Grinsen an. Deshalb war er zu diesem Tor marschiert und hatte ihm einen derart erbosten Tritt verpasst, dass der Schmerz in seinem Fuß auch Tage später noch zu spüren war.
    Als er jedoch am nächsten und am übernächsten und am überübernächsten Morgen wach geworden war, hatten ein Gefühl der Einsamkeit und danach nagende Furcht den anfänglichen Zorn ersetzt. Carol hatte ihn bestimmt nicht freiwillig verlassen. So was würde Carol niemals tun, das wusste er genau. Schließlich kannte Nelson sie, kannte sie besser als jeder andere, kannte sie seit fünfundzwanzig Jahren.
    Carols Brieftasche. Im Neff’schen Haus. Das war der endgültige Beweis.
    Seit zwei Jahren lebte

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