Dornröschenschlaf
war, hatte einfach nicht die Energie für einen neuerlichen Streit gehabt.
Deshalb saÃen Detektivin und Mandantin jetzt in diesem prächtigen Gemach mit Blick über den Central Park, kronleuchterbewehrter Stuckdecke und Kingsize-Bett, über dem sich ein Baldachin aus Tüll wie etwas aus einem Film von Jean Cocteau ergoss â das gesamte Szenario so romantisch, dass es beinahe schon ironisch war, vor allem wegen der Musik, die aus den Lautsprechern der Stereoanlage drang (Annette hatte extra eine CD mit »Larrys Lieblingsliedern« mitgebracht) â, und sprachen über das Geschäft .
Ein Vorteil war, dass Brenna nicht mehr an das dachte, was Morasco ihr knapp drei Stunden zuvor eröffnet hatte â nämlich dass die Brieftasche einer verschwundenen Frau, in der ein Zettel mit ihrem Namen und ihrer Telefonnummer gesteckt hatte, im alten Haus von Iris Neff gefunden worden war. Und genauso lenkte es von seinen Fragen ab.
Trotzdem blieb für einen Menschen, der auch nur den allerkleinsten Hauch von Mitgefühl besaÃ, die Tatsache bestehen, dass diese geschäftliche Besprechung äuÃerst schmerzlich war. Brenna hatte Annette bereits Kopien der diversen Pässe ihres Ehemanns gezeigt, und jetzt waren sie bei den Fotos angelangt, die sie von Larry alias Gregory geschossen hatte, während er von seiner jüngsten Gattin angeschrien worden war. »Sie brauchen sich diese Aufnahmen nicht anzusehen, Annette«, versuchte sie, die andere Frau vor zusätzlichen Schmerzen zu bewahren.
»O doch, das muss ich.« Annette hatte gerade die vierte Miniflasche Johnnie Walker Black gekippt und warf eine Handvoll schokoladeüberzogener Cashewnüsse hinterher. Eins musste man dem Zimmer lassen â es hatte eine exzellente Minibar.
Brenna schob den Hefter über den Tisch, während Larrys nächstes Lieblingslied erklang â ausgerechnet Elvisâ Are You Lonesome Tonight . Sie trank einen Schluck aus der Flasche Mineralwasser, die sie auf Annettes Drängen hin geöffnet hatte, merkte, wie Annette zusammenfuhr, als sie die Bilder sah, und blickte sie unbehaglich an. »Soll ich ⦠wollen Sie, dass ich die Stereoanlage ausschalte?«
Annette schüttelte den Kopf. »Larry hat zugenommen«, stellte sie fest.
Die traurige Wahrheit war, dass, rein äuÃerlich betrachtet, Vivica viel besser zu dem Kerl zu passen schien. Annette war gertenschlank und verströmte mit ihrem goldenen Haar, den feingemeiÃelten Wangenknochen und den winzigen, makellosen Poren die für weiÃe angelsächsische Protestanten typische Eleganz. Obwohl sie augenblicklich eindeutig erregt war, sah sie immer noch so aus, als könnte sie selbst dann nicht anfangen zu schwitzen, wenn sie es versuchte. Dahingegen waren Vivica und Larry aus demselben eher groben Holz geschnitzt. Doch das tat jetzt nichts zur Sache, oder? War es wichtig, dass die beiden aussahen , als gehörten sie zusammen? Wenn man nach dem Aussehen ging â nach dem tatsächlichen Aussehen â, wirkte Annette im Augenblick, als hätte ihr jemand einen groÃen, scharfen Gegenstand mitten ins Herz gerammt und sie all ihrer Hoffnungen beraubt.
Sie sah Brenna an. »Kann ich Sie etwas fragen?«
»Sicher.«
»Wie haben Sie ihn gefunden?«
Brenna räusperte sich leise. »Nun, die erste Kreditkarte, die er beantragt hat â¦Â«
»Ich weiÃ, das haben Sie mir erzählt, aber die war Larry schon nach kurzem wieder los. Wie haben Sie ihn danach noch einmal aufgespürt? SchlieÃlich ist er von New York nach Wyoming â«
»Montana, nicht Wyoming«, korrigierte Brenna sie.
»Wie haben Sie ihn immer wieder ausfindig gemacht? Wie haben Sie das geschafft, obwohl ihm offenbar nicht das Geringste daran lag, dass er ⦠gefunden wird?«
Brenna sah in ihre blauen, vom Alkohol etwas trüben Augen, erstickte die Erinnerung an Larry, der sie als scharfe Braut bezeichnete, im Keim und merkte dann, dass sie innerhalb von nur zwei Tagen jetzt dem zweiten Mitglied der Familie Shelby gegenübersaÃ, das sich hoffnungslos betrank. »Wir haben Larry auf demselben Weg gefunden wie die meisten anderen Erwachsenen auch. Wir haben einfach geguckt, was er für Hobbys hat.«
»Was er für Hobbys hat?«
Brenna nickte. »Man kann seinen Namen, die Haarfarbe und dank plastischer Chirurgie auch das Gesicht verändern. Aber die Dinge, die einem
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