Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornröschenschlaf

Dornröschenschlaf

Titel: Dornröschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Gaylin
Vom Netzwerk:
einmal durchzulesen, gab dann aber auf. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren, denn er stellte sich bei der Lektüre vor, der Detective von der Polizei – Nick Morasco – läse über seine Schulter mit und wollte von ihm wissen: Warum machen Sie einfach mit Ihrem Schreibkurs weiter, während Ihre Frau verschwunden ist?
    Detective Nick Morasco war zwar durchaus nett gewesen, doch er hatte von Carol ständig als von Ihrer Frau gesprochen – als müsse er Nelson ausdrücklich daran erinnern, dass sie rechtmäßig ihm gehörte und er besser hätte auf sie achten müssen, damit sie nicht einfach verlorenging. Hat sich Ihre Frau in letzter Zeit irgendwie seltsam verhalten? Hätte Ihre Frau einen Grund zum Besuch des Anwesens 2921 Muriel Court gehabt? Würden Sie sagen, dass Ihre Frau vor ihrem Verschwinden glücklich war?
    Â»Definieren Sie das Wort glücklich«, sagte Nelson laut, obwohl das gar nicht seine Absicht gewesen war. Er mochte seine Stimme nicht, und in dem leeren Raum hallte sie zitternd nach. Er benahm sich völlig irre. Wurde er vielleicht langsam verrückt? Hatte einzig Carols Gegenwart in diesem Haus ihn über all die Zeit davor bewahrt, dass er den Verstand verlor? Ich versuche nur, Ihnen zu helfen, Mr Wentz. Sie wollten mit mir über Ihre Frau sprechen.
    Â»Ihr Name ist Carol!«, brüllte Nelson. Denk einfach nicht mehr an diesen Kerl.
    Er begann, noch mal seinen Text zu lesen – einfach um sich mit etwas Normalem zu beschäftigen. Aus diesem Grund war er auch heute Morgen ins Büro gefahren. Weshalb hätte er sich Urlaub nehmen sollen? Schließlich saß er lieber im Büro als in dem leeren Haus, aus dem Carol verschwunden war. Lieber redigierte er Einträge für Bemerkenswerte Fakten, als bei jedem Anruf auf der Wache zu erleben, dass ihm die diensthabende Beamtin schnippisch zu verstehen gab, dass es »immer noch nichts Neues« gab.
    Er hatte den Computer nicht mehr angeschaltet, seit Carol verschwunden war, doch aus irgendeinem Grund fühlte er sich hier in seinem Arbeitszimmer nicht so unwohl wie in allen anderen Räumen seines Hauses – wahrscheinlich weil Carol, die sich für Computer nicht mal ansatzweise interessierte, nie hier in diesem Zimmer gewesen war.
    Ein Hut wie auf einem impressionistischen Gemälde … ich frage mich, ob Carol diesen Hut noch hat. Wenn ja, könnten wir vielleicht eines Tages zusammen die Provence besuchen, und ich könnte Fotos von ihr machen, wenn sie mit diesem Hut zwischen Heuballen auf einer Wiese steht. Seltsam, dass wir nie in der Provence gewesen sind … schließlich liebt Carol die französische Küche. Tatsächlich wäre die Provence für uns der rundherum ideale Altersruhesitz. Warum habe ich nie mehr an diesen Hut gedacht? Warum habe ich Carol nie gesagt, wir könnten unseren Lebensabend in der Provence verbringen? Wäre ich eher auf die Idee gekommen, dann könnten wir uns beide jetzt auf etwas freuen. Dann wären wir heute vielleicht in der Stadt und machten einen Französischkurs am Lycée Français. Und danach würden wir einen Wein in einem kleinen Bistro in der Upper East Side trinken, zusammen unser Französisch üben, lachen, weil wir beide keinen ganzen Satz zustande bringen, aber wissen, dass es irgendwann ganz sicher besser wird.
    Als Nelson zur Polizei gegangen war, hatte die Beamtin vorn an der Rezeption gefragt: »Was hatte Mrs Wentz an, als Sie sie zum letzten Mal gesehen haben?«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Was hatte sie gestern Abend an?«
    Â»Ah …«
    Â»Als Sie gestern ins Bett gegangen sind, hatte Ihre Frau da noch immer ihre Straßenkleider an?«
    Â»Ja, ja, das hatte sie.«
    Â»Beschreiben Sie mir diese Kleider.«
    Â»Nun … ich … ich weiß wirklich nicht genau …«
    Â»Gibt es irgendein Kleidungsstück, an das Sie sich gut genug erinnern, um es zu beschreiben? Einen Pulli? Oder irgendein Schmuckstück?«
    Â»Ein Schmuckstück?«
    Â»Mr Wentz?«
    Nelson hatte das Gefühl gehabt, als wäre er durch eine Prüfung gefallen. Er hatte die Augen zu- und wieder aufgemacht, und nach einer gefühlten Ewigkeit hatte er Carol vor sich gesehen, wie sie Donnerstagabend auf der Couch gesessen und gelesen hatte, als er selbst ins Bett gegangen war. »Ihren Ehering«, hatte er schließlich erklärt.
    Â»Wie hat er

Weitere Kostenlose Bücher