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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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ich bin unfähig, noch irgend etwas zu denken und falle in tiefen Schlaf. Als hätte ich meine sämtlichen Schalter auf OFF gestellt. Auf der Welt gibt es nur noch mich und mein Bett …
     
    Das Klingeln des Telefons weckt mich plötzlich auf. Im Zimmer ist es hell, die Sonne scheint zum Fenster herein. Das ist er, denke ich und nehme ab, da sagt er, ganz anders als sonst, mit seltsam verstellt klingender Stimme: »Warst du gerade weg?«
    »Nö«, sage ich mit einem Blick auf die Uhr: Es ist schon zwei Uhr nachmittags. Mann, allmählich geh ich mir selbst auf die Nerven mit meiner ewigen Pennerei. Wo ich doch spätestens Schlag zwölf gestern nacht im Bett lag und schlief!
    »Bist du wirklich die ganze Zeit zu Hause gewesen?« meldet er sich am anderen Ende der Leitung ungläubig zu Wort.
    »Ja, ich hab geschlafen.«
    »Ich hab ganz oft versucht, dich anzurufen, aber nie bist du rangegangen, und das kam mir seltsam vor.« Er hört sich noch immer verwundert an. Ich bin, gelinde gesagt, entsetzt. Ja, schwinden mir denn jetzt auch noch meine übersinnlichen Kräfte, an die ich so fest geglaubt habe …? frage ich mich. Nun soll ich nicht mal mehr sein Telefonklingeln erkennen können? Damit habe ich einfach nicht gerechnet. Das kann nicht sein, das darf nicht sein! Ich bin ratlos, ich weiß vor Ungewißheit nicht mehr ein noch aus.
    Betont fröhlich sage ich aber: »Na so was! Du Armer! Ich hab so fest geschlafen, daß ich gar nichts gemerkt habe.«
    »Ach so. Ja also – wegen gestern: Wir konnten nicht mal vernünftig reden miteinander, und da dachte ich, wir könnten uns vielleicht morgen oder so wieder treffen?«
    Obwohl er sonst mit allem frei herausplatzt, sagt er nie:
    »Ich will mit dir schlafen«, oder: »Laß uns ein Zimmer nehmen irgendwo.« Auch diesen verschroben vornehmen Zug mag ich irgendwie an ihm.
    »Ja, gut.«
    Nie würde ich sagen, ich hätte keine Zeit, wenn ich in Wirklichkeit gar nichts vorhabe. So was kommt für mich nicht in Frage. Ich hasse diese billige Taktik – und wenn sie noch so effektiv sein mag. Mein ganzes Repertoire besteht aus okay und all right – mir paßt es immer. Mit offenen Karten spielen ist der Schlüssel zum Sieg, davon bin ich überzeugt.
    »Prima, dann laß ich uns ein Zimmer reservieren«, sagt er und legt auf. Ich bin wieder allein in meinem nachmittäglichen Zimmer. Vom vielen Schlafen ist mir ganz schwindelig.
    Wenn ich eins immer schon konnte, dann war es einschlafen, schon als ich noch klein war. Außer der Gabe »Den – Anruf – des – Liebsten – am – Klingeln – erkennen – können« besitze ich nämlich noch einen weiteren Vorzug: »Sofort-einschlafen-können-beim-bloßen-Gedanken-daran«. Meine Mutter half früher zum Spaß abends öfter in einer Snackbar aus, die einer Freundin von ihr gehörte. Mein Vater ist zwar ein ganz normaler Büroangestellter, aber keineswegs engstirnig, und so erlaubte er Mutter den Job nicht nur, sondern war sogar selbst Stammgast in dem Laden. Ich war ein Einzelkind, also kam es oft vor, daß ich abends allein zu Hause blieb. Aber so ein Haus ist viel zu groß für ein Kind allein, und da beschloß ich wohl oder übel zu schlafen. Ich haßte die Gedanken, die mich beschlichen, wenn ich an die dunkle Decke starrte, nachdem das Licht gelöscht war – so furchtbar süß, so furchtbar traurig, so furchtbar einsam. Und ich wollte mich auf keinen Fall mit der Einsamkeit anfreunden. Also machte ich mich lieber ruck, zuck davon in den Schlaf.
    Im Erwachsenenalter schob mein Gedächtnis die Erinnerungen daran erst wieder lebhaft in den Vordergrund, als ich auf der Rückfahrt von unserer ersten gemeinsamen Nacht neben ihm im Auto saß. Wir waren am Abend zuvor in die Präfektur Kanagawa gefahren, hatten dort irgendwo übernachtet, den ganzen Tag mit Besichtigungen verbracht und befanden uns nun auf dem Heimweg. Ich war verzweifelt: Aus unerfindlichen Gründen hatte ich furchtbare Angst davor, daß dieser Tag zu Ende gehen könnte. Ich saß im Auto und verfluchte jede grüne Ampel, während ich aufatmete und Freudensprünge hätte machen können, wenn wir an einer roten halten mußten. Mir graute davor, nach Tokyo zurückzukehren, wo jeder von uns wieder seinem Alltag nachgehen würde. Vielleicht beschäftigte mich noch zu sehr, daß wir zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, aber mehr noch als alles andere lag mir wohl die Sache mit seiner Frau auf der Seele. Noch nie im Leben war ich dermaßen mit den Nerven runter. Wenn

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