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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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schon fast eingeschlafen, da fragt er mich aus heiterem Himmel:
    »Wie viele Jahre lebst du eigentlich schon allein, Terako?«
    »Wie? Ich?« Die Frage kommt so plötzlich für mich, daß meine Stimme ganz schrill wird vor Schreck. Der schummrig beleuchtete Boden wirbelt die Frage immer wieder auf und herum und schmeißt für den Augenblick Vergangenheit und Gegenwart und alles in meinem Kopf total durcheinander.
    Wie war das, was ist los? Wieso bin ich hier, was hab ich bloß mein Leben lang gemacht bis jetzt?
    Im ersten Moment habe ich keinen blassen Schimmer Erinnerung an das, was »vor ihm« war.
    »Äh, ja also, hmm, eigentlich erst seit einem Jahr. Davor hab ich die ganze Zeit mit einer Freundin zusammengewohnt.«
    »Ach so. Ja, stimmt, früher, wenn ich bei dir angerufen habe, ist öfter mal eine andere Frau rangegangen, das war sie doch, oder? Was ist aus ihr geworden, was macht sie so?«
    »Sie hat geheiratet«, lüge ich verrückterweise. »Mich hat sie einfach verlassen und ist ausgezogen.«
    »Wie überaus gemein von ihr!« sagt er und lacht. Ich sehe zu, wie seine breite Brust zittert.
    »Wenn deine Frau das hier wüßte – wäre sie dann nicht wütend?« frage ich ihn unvermittelt, einfach so, ohne besondere Absicht. Im ersten Moment erstarren seine Gesichtszüge, aber dann lösen sie sich wieder, und er sagt mit einem Lächeln:
    »Nein, sie wäre nicht wütend, bestimmt nicht. Das heißt, wenn du meinst, wie die Dinge wohl lägen, wenn sie bei Bewußtsein wäre – dann sähe die Sache natürlich anders aus, aber dazu fehlen die Voraussetzungen, denn dann wäre es nie so weit gekommen mit uns. – Jedenfalls, wenn sie die Situation kennen würde, in der ich mich befinde, und dich jetzt so sähe, könnte sie gar nicht wütend werden, nie und nimmer, das hätte nicht zu ihr gepaßt.«
    »War sie eine gute Frau?«
    »Ja. Ich glaub, mit meinen Frauen hab ich wirklich Glück gehabt bisher. Du bist fabelhaft, und sie war auch eine tolle Frau … Aber sie ist nicht mehr da, nicht mehr in dieser Welt …«
    Aus Furcht vor dem, was er da am Schluß mit müder Stimme gesagt hat, bringe ich keinen Ton mehr heraus. Es läßt mir wahrhaftig das Blut in den Adern gefrieren. Ich betrachte ihn: Unter meinen Augen schläft er ein, friedlich hebt und senkt sich sein Brustkorb, ich starre auf seine geschlossenen Lider, und als ich sein gleichmäßiges Atmen höre, meine ich tatsächlich jeden Moment in seinen Traum hineinsehen zu können.
    Irgendwo in der Ferne sehe ich ein Bewußtsein einsam und verlassen durch die Nacht irren.
    »… wenn sich also das eigene Atmen allmählich an den gleichmäßigen Rhythmus des anderen anpaßt«, hatte Shiori gesagt, »dann atmet man wahrscheinlich die Finsternis seiner Seele mit ein. Du darfst nicht einschlafen, nur nicht einschlafen! sage ich mir die ganze Zeit, und dann habe ich oft im Halbschlaf diese furchtbaren Alpträume.«
    Es scheint wirklich so zu sein, wie du gesagt hast, Shiori. Ich glaube, in letzter Zeit verstehe ich dich gut. Wenn man wie ein Schatten neben so einem Menschen schläft, dann zieht man vielleicht ganz unwillkürlich eine exakte Kopie seiner Seele – man atmet ja gleichsam seinen Schatten ein. Und wenn man das mit so vielen Menschen macht wie du, Shiori, wenn man um so viele Träume weiß, dann kann man vielleicht irgendwann plötzlich nicht mehr zurück, dann wird alles viel zu schwer, und es bleibt einem gar kein anderer Ausweg mehr, als zu sterben.
     
    Zum ersten Mal, seit sie tot ist, habe ich klar und deutlich von Shiori geträumt – wahrscheinlich, weil ich an sie gedacht habe, kurz bevor ich wie üblich wie ein Stein in Schlaf gefallen bin. Es war ein lebensechter, realistischer Traum, ein Traum, der wie die Wirklichkeit vor meinen Augen ablief.
    Plötzlich schlage ich in meinem Zimmer die Lider auf.
    Es ist Abend, und an dem runden Holztisch in der Küche, die sich auf der anderen Seite an das Zimmer anschließt, in dem ich liege, sehe ich Shiori stehen, wie sie gerade Blumen in einer Vase anordnet. Sie trägt den gewohnten pinken Pulli, die khakifarbene Hose und an den Füßen die obligatorischen Schlappen.
    Benommen richte ich mich auf und sage verschlafen:
    »Shiooorii?«
    »Ach, bist du wach geworden?«
    Sie wendet mir den Kopf zu, und ihr bis dahin ernstes Profil verwandelt sich in ein volles, warmes Lächeln. Ihre Wangen bekommen Grübchen. Ich lache still mit und sage:
    »Also, ich hab gerade von Iwanaga geträumt. Ein ganz realistischer

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