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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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Traum: Wir schlafen zusammen. Wir liegen nebeneinander im Bett und reden von dir, Shiori.«
    Ohne mich anzusehen, sagt sie: »Waas? Hör doch auf so abstruses Zeug zu träumen«, und lacht wie ein kleines Mädchen. »Mensch, ich krieg das einfach nicht hin!«
    Sie versucht verzweifelt, einen Haufen weißer Tulpen in der Glasvase auf dem Tisch zu arrangieren. Aber die Blumen halten nicht still, lassen die Köpfe nach allen Seiten hängen und sind einfach nicht zu bändigen. Auf dem Tisch liegt immer noch eine beachtliche Menge Tulpen, die sie unterbringen muß.
    »Und wenn du die Stiele einfach ganz kurz schneidest?« schlage ich vor.
    »Ach, das wäre doch zu grausam, findest du nicht?« antwortet sie. Dann stürzt sie sich wieder in ihr aussichtsloses Unterfangen. Ich kann es nicht länger mit ansehen, stehe auf und gehe auf sie zu. Meine Arme und Beine sind noch ganz schlapp so kurz nach dem Aufstehen, und die Zimmerluft kommt mir kühl vor.
    »Laß mich mal«, sage ich und lege die Hände um die Vase, wobei ich leicht Shioris weiße Finger berühre. Aber was ich auch anstelle, die Blumen machen, was sie wollen.
    »Hm, wirklich nichts zu machen, sie lassen immer die Köpfe hängen.«
    »Hattest du nicht noch eine andere, etwas höhere Vase? So schwarz und größer?«
    »Ach so, ja, ich glaube … Moment, Moment, ich weiß!« sage ich. »Sie müßte da ganz oben im Schrank sein, im obersten Fach, bestimmt.«
    »Ich hol einen Stuhl.«
    Shiori läuft in das Zimmer, in dem ich geschlafen habe, und kommt mit einem Stuhl und einem triumphierenden Lächeln zurück. Ich sage unvermittelt:
    »Du hast aber auch immer was zu lachen, Shiori!«
    »Ach was, wie kommst du darauf? Das sieht nur so aus, wegen meiner ausgeprägten Schlitzaugen.« Shiori steht auf dem Stuhl, und ich sehe von unten ihre Kehle. »Hier?«
    Ich sehe ihre Hand, wie sie den Schrank aufmacht.
    »Ja, gleich da, siehst du die längliche Schachtel?« zeige ich.
    »Nimm mal!«
    Ich mache die längliche Schachtel auf, die sie mir heruntergereicht hat, und nehme die krugförmige, große schwarze Vase heraus. Ich halte sie kurz unter Wasser, trockne sie mit einem Spültuch ab und lasse Wasser hineinlaufen. Mitten in der Nacht hört man es viel kräftiger rauschen.
    »Damit müßten wir sie bändigen können.«
    Mit einem entschlossenen Seufzer steigt Shiori von dem Stuhl herunter und grinst; ich nicke zufrieden. Im Blumenstecken ist Shiori besser als ich, also reiche ich ihr eine duftende weiße Tulpe nach der anderen an. Und sie steckt sie liebevoll in die Vase …
     
    Schlagartig wache ich auf.
    »Hä!?« Nackt, wie ich bin, fahre ich hoch. Shiori? – Shiori ist nicht da.
    Vor einem Moment ist sie doch noch leibhaftig hier gewesen, alles hat so echt gewirkt. Aber der Ort, an dem ich nun plötzlich gelandet bin, ist nicht derselbe wie der, an dem ich eben noch war – neben mir liegt ein Mann und schläft. Es ist dunkle Nacht, das Zimmer liegt versunken im Dämmerschein, die Scheinwerfer der Autos, die unten auf der Straße vorbeifahren, ziehen am Fenster ihre Bahnen ins Leere.
    Ich sehe mich eine Weile um und setze dabei rasch wieder zurück in die Wirklichkeit. Mir brummt der Schädel, und alles um mich herum wirkt irgendwie verkehrt, so stark ist noch die Macht des Traums. Wirklich glaubwürdig ist nur das Gefühl, Shiori nach langer Zeit doch noch wiedergesehen zu haben.
    Ach so, jetzt weiß ich! Endlich habe ich wirklich das Gefühl, begriffen zu haben, um was es eigentlich geht bei so einem »Bei-Schlaf«: Ich wäre im Moment reif dafür. Jemand in so einer Verfassung wie ich derzeit hätte so etwas nötig. Wenn Shiori gerade neben mir geschlafen hätte, dann hätte sie mit Sicherheit denselben überwältigend machtvollen, heißen Traum gehabt wie ich noch vor wenigen Augenblicken. Wie von Zauberhand wird der, der solche Träume mit ansieht, hineingezogen in eine andere Wirklichkeit: lebendige Farben, realistische Perspektiven, Gefühlsübertragung … Irgendwie schockiert starre ich auf die Bettdecke.
    »Hey.«
    So plötzlich angesprochen, zucke ich zusammen. Als ich mich umdrehe, liegt er mit hellwachen Augen da und sieht mich an. O weh, schon wieder das Ende der Nacht, denke ich sofort.
    »Was ist denn mit dir los? Fährst hoch wie von der Tarantel gestochen … Hast du schlecht geträumt?«
    »Nö, im Gegenteil: Es war ein schöner Traum«, sage ich.
    »Wunderschön sogar! Ich war so glücklich, daß ich gar nicht aufwachen wollte. Hierhin

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