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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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mehrfach fast die Augen zufallen. Egal, wie ich auch rechne, ich komme immer auf eine Schlafzeit von rund 10 Stunden netto. Aber warum werde ich dann nicht allmählich wach? Wie müde ich sonst auch bin, wenn ich zu lange geschlafen habe – spätestens nach einer halben Stunde beginne ich doch für gewöhnlich, wieder klarer zu werden …, überlege ich, aber sogar die Gedanken scheinen nicht zu mir zu gehören.
    Ich wanke zu einem Taxi und lasse mich nach Hause fahren. In meiner Wohnung angekommen, beginne ich Wäsche zu waschen und lehne mich zwischendurch nur einmal kurz im Sessel an – schon bin ich wieder eingenickt.
    Hat doch alles keinen Zweck, Mensch.
    Als ich es merke, sinkt mein Kopf gerade tiefer und tiefer in die Polster. Ich schrecke auf und blättere in einer Zeitschrift, bis mir auffällt, daß ich immer wieder denselben Satz lese. Das ist ja genau wie früher in der Schule, wenn man im Nachmittagsunterricht mit schweren Lidern über dem Schulbuch eingenickt ist, denke ich noch – und schon fallen mir die Augen wieder zu. Ich habe den Eindruck, der bewölkte Himmel wälzt sich von draußen ins Zimmer herein und umnebelt mein Hirn. Die Waschmaschine dreht ihre Runden, aber auch dieser Lärm macht keine Anstalten, bei mir als Wecker zu fungieren. Mittlerweile ist mir schon alles egal: Träge streife ich Rock und Bluse ab, lasse alles zu Boden gleiten und schleppe mich ins Bett. Das Plumeau ist angenehm kühl, weich sinke ich in die Kissen aus süßem Schlaf.
    Daß es angefangen hat zu klingeln, ist mir schon aufgefallen, bevor ich mein eigenes gleichmäßiges Atmen wahrnehme. Ich weiß auch ganz genau, daß es natürlich ein Anruf von ihm ist. Das Telefon läutet beharrlich, wie um mir die unerschütterliche Liebe dieses Mannes zu bedeuten, aber ich bekomme meine Augen einfach nicht auf. Wie ein Fluch, der auf mir liegt, denke ich. Meine Seele ist ganz klar, aber aufstehen kann ich beim besten Willen nicht.
    Ob sie einen Fluch …?
    Einen Augenblick lang blitzt dieser verrückte Gedanke auf, verschwindet aber gleich wieder. Seine Frau ist nicht der Mensch, der so etwas tun würde, das weiß ich aus seinen Äußerungen. Sie ist ein sehr netter, guter Mensch. Weil ich so müde bin, kommen und gehen meine Gedanken, als hätten sie sich im Dunkeln verlaufen.
    Der Feind, das bin ich selbst. Bestimmt.
    Zu dieser Erkenntnis komme ich gerade noch, bevor mir mein Bewußtsein mehr und mehr entgleitet. Langsam legt der Schlaf mir seine seidenen Bandagen an und schnürt mir die Lebensgeister ab. Blackout.
    Noch unzählige Male höre ich im Schlaf sein Klingeln.
     
    Als ich das nächste Mal aufwache, liegt das Zimmer versunken im Dämmerlicht. Ich hebe meine Hand und beim Anblick ihrer verschwommenen, dunklen Umrisse denke ich apathisch: »Es ist schon Abend.«
    Die Waschmaschine läuft natürlich längst nicht mehr, im Zimmer ist es ganz still. Ich habe Kopfschmerzen, alle Knochen tun mir weh, und die Glieder sind steif. Die Uhr zeigt fünf. Ich habe wahnsinnigen Hunger, und mir fallen die Apfelsinen ein, die im Kühlschrank liegen – ja richtig, ich müßte doch auch noch einen Becher Flan haben. Ich stehe also auf und ziehe mir die auf dem Boden verstreuten Kleider an.
    Es ist ganz, ganz still. Eine Stille, als wäre ich die einzige Überlebende auf der ganzen weiten Welt. Als ich mit einem irgendwie seltsamen, nicht näher zu beschreibenden Gefühl das Licht im Zimmer anmache und aus dem Fenster sehe – als ich sehe, wie der Zeitungsjunge die Zeitungen in die Briefkästen steckt, als ich in den Häusern ringsherum kein einziges Licht entdecken kann und gen Osten in einen orange gefärbten Himmel blicke, weiß ich Bescheid und sage zu mir selbst:
    »Fünf Uhr morgens ist es.« Meine Stimme hört sich belegt an. Aus dem tiefsten Innern steigt Angst in mir auf. Wie oft haben die Zeiger der Uhr denn bloß ihre Runden gedreht? Welcher Tag welchen Monats ist heute? Wie im Traum verlasse ich meine Wohnung, gehe die Treppe hinunter, ziehe die Zeitung aus dem Briefkasten und schlage sie auf. Alles in Ordnung, ich habe bloß eine einzige Nacht verschlafen, denke ich erleichtert. Nichtsdestotrotz muß ich eine ungewöhnlich lange Zeit durchgeschlafen haben, das steht fest. Ebenso klar ist, daß mein gesamter Organismus aus dem Rhythmus gekommen ist. Mir ist schwindelig. Das Blau der Morgendämmerung erobert die Straßen, das Licht der Laternen verblaßt. Ich bekomme richtig Angst, in meine Wohnung zurückzukehren,

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