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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Platz gebraucht, wo ich mich ausruhen und erholen kann. Die Doghertys haben mir angeboten, herzukommen und bei ihnen zu wohnen, und ich habe angenommen.«
    »Warum kann ich Ihnen die Geschichte nicht glauben?«
    »Das solltest du aber, Jenny, es ist nämlich die Wahrheit.«
    »Mein Vater hält Sie für einen Verbrecher oder ein Mitglied der IRA. Er sagt, daß Sean früher bei der IRA war.«
    »Jenny, kannst du dir wirklich vorstellen, daß Sean Dogherty bei der IRA ist? Nebenbei bemerkt, hat dein Vater selbst Probleme genug.«
    Jennys Gesicht verfinsterte sich. Sie blieb stehen und sah ihn an: »Was soll das heißen?«
    Neumann fürchtete, daß er zu weit gegangen sei. Vielleicht war es besser, sich zu entschuldigen und das Thema zu wechseln. Aber irgend etwas trieb ihn dazu, das, was er begonnen hatte, zu Ende zu bringen. Warum, so dachte er, kann ich nicht meinen Mund halten und einfach weggehen? Aber natürlich wußte er die Antwort. Auch sein Stiefvater war ein gemeiner Kerl gewesen. Beim geringsten Anlaß hatte er ihm mit dem Handrücken ms Gesicht geschlagen oder ihn mit gemeinen Bemerkungen gequält, so daß ihm die Tränen in die Augen gestiegen waren. Und Neumann war überzeugt, daß Jenny Colville schlimmeren Mißhandlungen ausgesetzt war als er früher. Er wollte sie trösten und ihr sagen, daß sie nicht allein war. Er wollte ihr helfen.
    »Das soll heißen, daß er zuviel trinkt.« Neumann streckte die Hand aus und berührte sanft ihr Gesicht. »Und daß er ein hübsches, intelligentes Mädchen mißhandelt, das eine solche Behandlung in keiner Weise verdient hat.«
    »Ist das Ihr Ernst?« fragte sie.
    »Was?«
    »Daß ich hübsch und intelligent bin. Das hat mir noch nie jemand gesagt.«
    »Natürlich ist das mein Ernst.«
    Sie ergriff seine Hand, und sie gingen ein paar Schritte weiter.
    »Haben Sie eine Freundin?« fragte sie ihn.
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Ja, warum eigentlich nicht? Der Krieg... Das war die einfache Antwort. Er hatte nie wirklich Zeit für ein Mädchen gehabt. Sein Leben war eine Folge von Obsessionen gewesen - der Obsession, alles Englische abzustreifen und ein guter Deutscher zu werden, der Obsession, bei den Olympischen Spielen zu siegen, der Obsession, den Rang des höchstdekorierten Fallschirmjägers zu erlangen. Seine letzte Freundin war ein französisches Bauernmädchen aus einem Dorf in der Nähe seines Horchpostens gewesen. Sie war zärtlich zu ihm, als er Zärtlichkeit brauchte, und einen Monat lang ließ sie ihn jeden Abend zur Hintertür ihres Hauses herein und nahm ihn heimlich mit in ihr Bett. Wenn er die Augen schloß, konnte er sie immer noch sehen, wie sie sich im flackernden Kerzenlicht auf ihn legte. Sie hatte ihm geschworen, jeden Abend seinen Kopf zu küssen, bis er wieder gesund sei. Am Ende war Neumann, der Besatzungssoldat, von Schuldgefühlen übermannt worden und hatte die Beziehung abgebrochen. Und jetzt fragte er sich besorgt, was wohl mir ihr geschehen würde, wenn der Krieg vorüber war.
    »Sie haben für einen Moment ganz traurig ausgesehen«, sagte Jenny.

    »Ich habe an etwas gedacht.«
    »Ich würde sagen, Sie haben an jemanden gedacht. Und dieser Jemand war eine Frau.«
    »Du bist sehr aufmerksam.«
    »War sie schön?«
    »Sie war Französin und sehr schön.«
    »Hat Sie Ihnen das Herz gebrochen?«
    »So könnte man es ausdrücken.«
    »Aber Schluß gemacht haben Sie.«
    »Ja, so war es wohl.«
    »Warum?«
    »Weil ich sie zu sehr geliebt habe.«
    »Das verstehe ich nic ht.«
    »Eines Tages wirst du es verstehen.«
    »Was soll das nun wieder bedeuten?«
    »Das soll bedeuten, daß du viel zu jung bist, um dich mit Kerlen wie mir abzugeben. Ich werde jetzt meinen Lauf beenden. Ich schlage vor, du gehst nach Hause und ziehst dir saubere Sachen an. Du siehst aus, als hättest du heute nacht am Strand geschlafen.«
    Sie tauschten einen Blick stillen Einverständnisses. Sie wandte sich zum Gehen, dann blieb sie stehen.
    »Sie werden mir niemals weh tun, nicht wahr, James?«
    »Natürlich nicht.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    Sie trat vor und küßte ihn kurz auf den Mund, dann wirbelte sie herum und lief davon. Neumann schüttelte den Kopf, schlug die entgegengesetzte Richtung ein und rannte über den Strand zurück.

29 
    London

    Alfred Vicary hatte das Gefühl, in Treibsand zu versinken. Je mehr er dagegen ankämpfte, desto tiefer zog es ihn hinab. Jedes Mal, wenn er auf einen neuen Hinweis oder Anhaltspunkt stieß, schien er noch weiter

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