Double Cross. Falsches Spiel
Aktentasche mitgebracht, aber offensichtlich enthielt sie nichts Wichtiges, denn er hatte sie am Tisch zurückgelassen.
Gleichwohl schien er sie nie allzu lange aus den Augen zu lassen.
Nach kurzer Zeit fiel Catherine etwas auf: Alle Anwesenden schienen Jordan und sie anzustarren. Es war schrecklich. Sechs Jahre lang hatte sie alles Erdenkliche getan, um nicht aufzufallen. Und jetzt tanzte sie mit einem blendend aussehenden amerikanischen Marineoffizier in einem Londoner Luxushotel. Sie fühlte sich wehrlos allen Blicken ausgesetzt, doch gleichzeitig genoß sie es, zur Abwechslung einmal etwas ganz Normales zu tun.
Ihr eigenes Aussehen trug sicherlich auch dazu bei, daß sie Aufmerksamkeit erregten. Sie hatte es Jordans Augen angesehen, als sie vor ein paar Minuten die Bar betreten hatte.
Sie sah heute abend hinreißend aus. Sie trug ein Kleid aus schwarzem Krepp mit tief ausgeschnittenem Rückenteil und einem Dekollete, das ihre wohlgeformten Brüste gut zur Geltung brachte. Das Haar, in dem eine kleine, brillantenbesetzte Spange steckte, trug sie offen, und eine doppelte Perlenkette schmückte ihren Hals. Sie hatte viel Mühe auf ihr Makeup verwendet. Jetzt, im Krieg, war die Qualität der Kosmetika schlecht, aber sie benötigte auch nicht viel - etwas Lippenstift, um die Form ihrer vollen Lippen zu betonen, etwas Rouge, um ihre vorstehenden Wangenknochen hervorzuheben, etwas Eyeliner für die Augen.
Sie bezog aus ihrem Aussehen keine besondere Befriedigung.
Sie hatte seit jeher ein leidenschaftsloses Verhältnis zu ihrer Schönheit, so wie andere Frauen etwa zu ihrem Lieblingsservice oder einem wertvollen alten Teppich. Und doch war es sehr lange her, daß sie durch einen Raum gegangen war und alle Köpfe sich nach ihr umgedreht hatten. Sie war der Typ Frau, der beiden Geschlechtern auffiel. Die Männer brachten kaum den Mund zu, den Frauen stand der Neid ins Gesicht geschrieben.
»Ist dir aufgefallen, daß alle zu uns herübersehen?« fragte Jordan.
»Ja. Macht es dir etwas aus?«
»Natürlich nicht.« Er lehnte sich etwas zurück, damit er ihr Gesicht sehen konnte. »Ich habe mich lange nicht mehr so gefühlt, Catherine. Wenn ich mir vorstelle, daß ich den weiten Weg nach London machen mußte, um dich zu finden.«
»Ich bin froh, daß du es getan hast, Peter.«
»Darf ich dir ein Geständnis machen?«
»Aber natürlich.«
»Ich habe letzte Nacht kaum geschlafen, nachdem du gegangen warst.«
Sie lächelte, zog ihn näher und raunte ihm ins Ohr: »Ich muß dir auch ein Geständnis machen. Ich habe überhaupt nicht geschlafen.«
»Woran hast du gedacht?«
»Sag du zuerst.«
»Ich habe es bedauert, daß du gegangen bist.«
»Ich hatte ganz ähnliche Gedanken.«
»Ich habe mir vorgestellt, dich zu küssen.«
»Ich glaube, ich habe dich geküßt.«
»Ich möchte nicht, daß du heute nacht gehst.«
»Ich glaube, wenn du mich heute loswerden wolltest, müßtest du mich schon hinauswerfen.«
»Ich glaube, deswegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
»Ich möchte, daß du mich jetzt küßt, Peter.«
»Und was ist mit all den Leuten, die uns anstarren? Was, glaubst du, werden sie tun, wenn ich dich jetzt küsse?«
»Ich weiß nicht. Aber wir schreiben das Jahr 1944, und wir sind in London. Da kann alles passieren.«
»Mit einer Empfehlung von dem Gentleman an der Bar«, sagte der Kellner, der gerade eine Flasche Champagner öffnete, als sie zu ihrem Tisch zurückkehrten.
»Hat der Gentleman auch einen Namen?« fragte Jordan.
»Keinen, den er mir genannt hätte, Sir.«
»Wie sieht er aus?«
»Ich würde sagen, wie ein braungebrannter Rugby-Spieler, Sir.«
»Ein amerikanischer Marineoffizier?«
»Ja, Sir.«
»Shepherd Ramsey.«
»Der Gentleman würde gern ein Glas mit Ihnen trinken.«
»Sagen Sie dem Gentleman, daß ich ihm für den Champagner danke, aber den Rest kann er vergessen.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Wer ist das, Shepherd Ramsey?« fragte Catherine, als der Kellner sich entfernte.
»Shepherd Ramsey ist der älteste und beste Freund, den ich auf der Welt habe. Ich liebe ihn wie einen Bruder.«
»Warum willst du dann nicht, daß er auf ein Glas zu uns herüberkommt?«
»Weil ich einmal in meinem Erwachsenenleben etwas ohne ihn tun will. Und weil ich dich ganz für mich alleine haben will.«
»Gut, ich will dich nämlich auch für mich alleine haben.«
Catherine erhob ihr Glas. »Auf Shepherds Abwesenheit.«
Jordan lachte. »Auf Shepherds Abwesenheit.«
Sie stießen
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