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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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es.
    Heinrich Himmler arbeitete sich in seinem Büro in der Prinz-Albrecht-Straße gerade durch einen Stapel Papiere, als ein Anruf von Brigadeführer Walter Schellenberg zu ihm durchgestellt wurde.
    »Guten Abend, General Schellenberg. Oder sollte ich guten Morgen sagen?«
    »Es ist zwei Uhr. Ich hätte nicht gedacht, daß Sie noch arbeiten.«
    »Die Müden finden keine Ruhe. Was kann ich für Sie tun?«
    »Es geht um die Sache Vogel. Ich habe einen Offizier im Funkraum der Abwehr davon überzeugen können, daß es in seinem Interesse ist, mit uns zusammenzuarbeiten.«
    »Ausgezeichnet!«

    Schellenberg informierte Himmler über die Nachricht, die Vogel aus London erhalten hatte.
    »Aha«, antwortete Himmler, »und jetzt wird also Ihr Freund Neumann ins Spiel gebracht.«
    »So scheint es, Herr Reichsführer.«
    »Ich werde die Neuigkeit morgen früh dem Führer berichten.
    Ich bin sicher, daß er hocherfreut sein wird. Dieser Vogel scheint mir ein fähiger Mann zu sein. Sollte er das wichtigste Geheimnis des Krieges stehlen, so wäre ich nicht überrascht, wenn ihn der Führer zu Canaris' Nachfolger macht.«
    »Ich kann mir würdigere Kandidaten für den Posten vorstellen, Herr Reichsführer«, sagte Schellenberg.
    »Sie werden schon einen Weg finden, wie Sie die Sache in den Griff kriegen. Andernfalls sind Sie aus dem Rennen.«
    »Ja, Herr Reichsführer.«
    »Reiten Sie am Morgen wieder mit Admiral Canaris aus?«
    »Wie gewöhnlich.«
    »Vielleicht kriegen Sie zur Abwechslung mal etwas Brauchbares aus ihm heraus. Und bestellen Sie dem alten Fuchs schöne Grüße von mir. Gute Nacht, Herr Brigadeführer.«
    Himmler legte sanft den Hörer auf die Gabel und wandte sich wieder dem endlosen Papierkrieg zu.

28
    Hampton Sands, Norfolk

    Das Grau der Dämmerung sickerte durch die dichte Wolkendecke, als Horst Neumann das Kiefernwäldchen durchquerte und die Dünen erklomm. Vor ihm lag das Meer. Es war ruhig an diesem windstillen Morgen, nur kleine Wellen brachen sich an der scheinbar endlosen Weite des Strands.
    Neumann trug einen grauen Trainingsanzug, darüber einen Rollkragenpullover zum Schutz vor der Kälte und schwarze Laufschuhe aus weichem Leder. Er sog tief die kalte frische Luft ein, dann kletterte er die Düne hinunter und schritt über den weichen Sand. Es war Ebbe, und am Saum des Wassers zog sich ein breiter Streifen harten, flachen Sandes hin - ideal zum Laufen. Er streckte die Beine, blies sich in die Hände und fiel in einen leichten Trab. Seeschwalben und Strandläufer wichen kreischend zur Seite.
    Am frühen Morgen hatte er aus Hamburg den Befehl erhalten, sich ab heute regelmäßig mit Catherine Blake in London zu treffen und Material von ihr in Empfang zu nehmen. Die Übergaben sollten nach einem Zeitplan erfolgen, den ihm Kurt Vogel auf dem Bauernhof bei Berlin mitgeteilt hatte. Das Material sollte in einem Hauseingang am Cavendish Square deponiert werden, wo ein Mann von der portugiesischen Botschaft es dort abholte und dann mit der Diplomatenpost nach Lissabon schickte. Das hörte sich einfach an. Aber Neumann wußte nur zu gut, daß er sich in große Gefahr brachte, wenn er auf den Londoner Straßen Kurierdienste leistete. Er würde Material bei sich tragen, das ihn garantiert an den Galgen brachte, wenn die britischen Sicherheitskräfte ihn damit erwischten. Im Gefecht hatte er gewußt, wo der Feind stand. Im Spionagegewerbe konnte der Feind überall lauern. Er konnte neben einem im Café oder im Bus sitzen, ohne daß man etwas ahnte.
    Es dauerte mehrere Minuten, bis Neumann warm wurde und die ersten Schweißperlen auf seine Stirn traten. Wie schon in seiner frühen Jugend übte das Laufen auch jetzt eine merkwürdige Faszination auf ihn aus. Er genoß das angenehme Gefühl, dahinzuschweben, ja, fast zu fliegen. Er atmete leicht und locker und spürte, wie die Anspannung aus seinem Körper wich. Er zog in etwa achthundert Metern Entfernung eine imaginäre Ziellinie und steigerte das Tempo.
    Auf der ersten Hälfte der Strecke hie lt er sich gut. Er glitt mit langen, raumgreifenden Schritten über den Strand, Schultern und Arme waren locker und entspannt. Der zweite Teil der Strecke wurde härter. Sein Atem ging schwer und stoßweise.
    Die kalte Luft brannte in seinem Hals, seine Arme wurden bleischwer. Die Ziellinie war noch zweihundert Meter entfernt.
    Seine Oberschenkelmuskulatur verhärtete sich, seine Schritte wurden kürzer. Er stellte sich vor, wie er im 1500-Meter-Endlauf der Olympischen

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