Double Cross. Falsches Spiel
Sie, Commander Jordan! Und jetzt beantworten Sie meine Frage. Waren Sie an diesem Abend mit ihr im Bett?«
»Nein.«
»Sagen Sie mir die Wahrheit?«
»Wie bitte?«
»Ich habe gefragt, ob Sie mir die Wahrheit sagen.«
»Selbstverständlich.«
»Sie haben also nicht die Absicht, mich heute abend anzulügen, Command er Jordan?«
»Nein.«
»Gut, das möchte ich Ihnen auch nicht geraten haben. Sie sitzen so schon tief genug in der Tinte. Fahren wir fort.«
Vicary änderte abrupt den Kurs und steuerte mit Jordan in ruhigere Gewässer. Eine Stunde lang ging er Jordans Lebenslauf durch: seine Kindheit auf der West Side von Manhattan, seine Ausbildung am Rensselaer Polytechnic Institute, seine Arbeit bei der Northeast Bridge Company, seine Heirat mit der Debütantin Margaret Lauterbach, ihren Tod bei einem Autounfall im August 1939 auf Long Island. Vicary benutzte keine Notizen und stellte seine Fragen so, als kenne er die Antworten nicht, obwohl er sich auf der Fahrt Jordans Akte eingeprägt hatte. Er machte klar, daß er den Verlauf des Gesprächs bestimmte. Sobald er den Eindruck ha tte, daß es Jordan zu wohl wurde, verunsicherte er ihn. Und die ganze Zeit über schrieb er eifrig mit. Das Verhör wurde mit versteckten Mikrofonen aufgenommen, und dennoch kritzelte er in sein kleines Notizbuch, als sei es die einzige Chronik der Ereignisse dieses Abends. Das nervtötende Kratzen seines Stifts auf dem Papier untermalte Jordans Aussagen ohne Unterbrechung. Und alle paar Minuten wurde Vicarys Bleistift stumpf. Dann entschuldigte er sich und zwang Jordan innezuhalten, öffnete umständlich seine Aktenmappe und zog einen neuen hervor. Er entnahm ihr jedesmal nur einen Stift, nie einen zweiten als Ersatz. Und jedesmal schien die Suche länger zu dauern als beim letzten Mal. Harry, der aus einer dunklen Ecke zusah, bewunderte Vicarys Vorstellung. Vicary wollte, daß Jordan ihn unterschätzte, daß er ihn für einen Trottel hielt. Rede endlich, du Stockfisch, dachte Harry, sonst schneidet er dir die Eier ab.
Vicary schlug eine neue Seite in seinem Notizbuch auf und kramte einen neuen Stift hervor.
»Sie ist keine Engländerin, und ihr Name ist nicht Catherine Blake. Ihr richtiger Name ist Anna Katarina von Steiner. Doch ich werde sie nie wieder bei diesem Namen nennen, und ich möchte, daß Sie ihn sofort wieder aus Ihrem Gedächtnis streichen. Meine Gründe werden Ihnen später klar werden. Sie wurde vor dem Ersten Weltkrieg in London geboren. Ihre Mutter war Engländerin, ihr Vater Deutscher. Sie kehrte im November 1938 unter Benutzung eines falschen niederländischen Passes nach England zurück. Erkennen Sie sie auf dem Foto?«
»Ja. Sie sieht heute zwar anders aus, aber sie ist es.«
»Wir vermuten, daß sie den deutschen Geheimdienst durch ihre Herkunft und ihre Sprachkenntnisse auf sich aufmerksam machte. Wir glauben, daß sie irgendwann 1936 angeworben und in ein Lager in Bayern geschickt wurde, wo sie eine Ausbildung in Funk-und Chiffriertechnik absolvierte und ein spezielles Training für ihre Agententätigkeit durchlief. Um ihre Einreise zu verschleiern, hat sie in Norfolk auf brutale Weise eine Frau ermordet. Wir ge hen davon aus, daß sie noch drei weitere Menschen umgebracht hat.«
»Es fällt mir sehr schwer, das zu glauben.«
»Sie können mir getrost glauben. Sie ist nicht wie die anderen. Die meisten deutschen Spione waren nutzlose Idioten, schlecht geschult und ihrer Aufgabe in keiner Weise gewachsen.
Wir haben diese Agentenringe gleich bei Kriegsbeginn ausgehoben. Aber wir glauben, daß Anna von Steiner ein anderer Typ von Agent ist, eine Topspionin. Wir nennen solche Leute Schläfer. Sie hat nie ihr Funkgerät benutzt. Und soweit wir wissen, hat sie nie an einer anderen Operation mitgewirkt.
Sie hat sich einfach in der britischen Gesellschaft eingenistet und darauf gewartet, daß sie aktiviert wird.«
»Warum hat sie ausgerechnet mich ausgewählt?«
»Erlauben Sie mir, die Frage anders zu stellen, Commander Jordan: Hat Catherine Blake Sie ausgewählt, oder haben Sie Catherine Blake ausgewählt?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ganz einfach. Ich will nur wissen, ob Sie den Deutschen unsere Geheimnisse verkauft haben.«
»Nein!«
»Ich will wissen, warum Sie uns verraten haben.«
»Ich habe niemanden verraten.«
»Ich will wissen, warum Sie als Agent für den deutschen Geheimdienst arbeiten.«
»Das ist doch lächerlich.«
»Ist es das wirklich? Was sollen wir glauben? Sie haben mit
Weitere Kostenlose Bücher