Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
Gesicht des Mannes nun ga nz bewußt: dunkles Haar, dunkle Augen, schmaler Mund, blasse Haut. Sein Äußeres ließ nur schwer auf seine Nationalität schließen. Vielleicht ein Deutscher oder ein Italiener, vielleicht auch ein Grieche oder ein Russe. Oder ein Engländer.
    Zuerst zündete sich Harry eine Zigarette an, dann Vicary, und einen Augenblick später erfüllte Rauch den Humber. Vicary kurbelte das Fenster herunter, damit die Wolke entweichen konnte. Die Kälte drückte herein und schnitt in sein Gesicht.
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie so ein Star sind, Harry«, sagte Vicary. »Jeder Polizist in London kennt Ihren Namen.«
    »Der Fall Spencer Thomas«, sagte Harry.
    »Wie haben Sie ihn gekriegt?«
    »Der Blödmann hat alles aufgeschrieben.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er wollte die Morde in allen Einzelheiten in Erinnerung behalten, aber er hat seinem Gedächtnis nicht getraut. Deshalb hat er ein bizarres Tagebuch geführt. Ich habe es bei der Durchsuchung seines Zimmers gefunden. Sie wären überrascht, was Menschen alles aufschreiben.«
    Keineswegs, dachte Vicary und erinnerte sich an Helens Brief.
    Ich habe dir meine Liebe auf eine Weise bewiesen, wie ich es für keinen anderen Mann tun kann. Aber ich bin nicht bereit, um unserer Heirat willen mit meinem Vater zu brechen.
    »Wie geht es Grace Clarendon?« fragte Vicary so beiläufig, als handelte es sich lediglich darum, ein Rugby-oder Cricket-Ergebnis in Erfahrung zu bringen. Er hatte sich noch nie nach Grace erkundigt, und so klang die Frage unnatürlich.
    »Gut«, antwortete Harry. »Warum fragen Sie?«
    »Ich habe sie gestern abend vor Boothbys Büro gesehen.«
    »Boothby bittet Grace immer, ihm Akten persönlich ins Büro zu bringen. Grace glaubt, weil ihm ihre Beine gefallen. Das halbe Department glaubt, daß sie was mit ihm hat.«
    Vicary waren solche Gerüchte auch schon zu Ohren gekommen: Boothby habe mit jeder im Department geschlafen, die nicht in festen Händen sei, und Grace Clarendon sei eine seiner Lieblingseroberungen gewesen.
    Das lasse ich nicht mit mir machen. Schwein. Mieses Schwein!
    Vicary hatte angenommen, Boothby habe Grace wegen der Sache mit der Akte bestraft. Aber möglicherweise hatte er nur einen Streit zwischen Liebenden belauscht. Er beschloß, mit Harry nie wieder über Grace zu sprechen.
    Einen Moment später fuhr der Wagen auf den Platz. Der erste Eindruck, den Vicary von Jordan hatte, sollte ihm noch lange nachgehen - und ihn leicht irritieren, wie der Geruch von schlechtem Essen, der sich in Kleidern festgesetzt hat. Er hörte das leise Brummen des Wagens und drehte gerade noch rechtzeitig den Kopf, um zu sehen, wie Jordan an seinem Fenster vorbeihuschte. Er sah ihn nur für den Bruchteil einer Sekunde, doch sein Bild prägte sich ihm unauslöschlich ein. Er sah die Augen, die über den Platz glitten, als suchten sie nach verborgenen Feinden. Er sah das energisch nach vorn gereckte Kinn, als habe er sich für einen Kampf gewappnet. Er registrierte die tief in die Stirn gezogene Mütze und den bis zum Hals zugeknöpften Mantel.
    Jordans Wagen hielt vor der Nr. 47. Der Motor des Humber sprang an, und in Sekunden hatten sie die kurze Strecke zurückgelegt. Harry stieg aus und heftete sich an Jordans Fersen.
    Den Rest nahm Vicary wie eine Pantomime wahr. Harry bat Jordan, mitzukommen und in den zweiten Humber zu steigen, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Jordan starrte Harry an, als sei er von einem anderen Stern.
    Harry wies sich mit der ausgesuchten Höflichkeit eines Londoner Polizisten aus. Jordan gab ihm ziemlich deutlich zu verstehen, daß er sich zum Teufel scheren solle. Darauf packte ihn Harry am Arm, ein bißchen zu fest, beugte sich zu ihm hinüber und raunte ihm etwas ins Ohr.
    Jordan erbleichte.

37
    Richmond an der Themse, England

    Das rote Backsteinhaus war von der Landstraße aus nicht zu sehen. Es stand am höchsten Punkt des Grundstücks am Ende eines langen gewundenen Schotterwegs. Vicary, der allein im kalten Fond des Humber saß, nahm ein schwaches Licht wahr, als sie sich dem Haus näherten. Während der Fahrt hatte er die Unterlagen aus Jordans Aktentasche gelesen. Seine Augen brannten, und in seinem Kopf hämmerte es. Wenn die Abwehr in den Besitz dieser Dokumente gelangte, konnte sie mit ihrer Hilfe das Geheimnis der Invasion lüften. Sie konnte die Lügen und Finten von Double Cross und Fortitude durchschauen. Und damit konnten die Deutschen den Krieg gewinnen! Vicary stellte sich die

Weitere Kostenlose Bücher