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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Machtergreifung aufmerksam verfolgt und im Kreis seiner Kollegen am College prophezeit, daß England und Deutschland bald gegeneinander Krieg führen würden, möglicherweise sogar noch vor Ende des Jahrzehnts.
    Aber niemand wollte auf ihn hören. Viele sahen in Hitler ein willkommenes Gegengewicht zur Sowjetunion und meinten, man müsse ihn unterstützen. Vicary hielt das für baren Unsinn.
    Zwar teilte er die Ansicht seiner Landsleute, daß Churchill Züge eines Abenteurers habe und etwas zu kriegslustig sei, doch in bezug auf die Nazis hatte Churchill seines Erachtens ins Schwarze getroffen.
    Wieder zu Hause, setzte sich Vicary an den Schreibtisch und brachte eine kurze, nur aus einem Satz bestehende Nachricht an Churchill zu Papier: Ich habe Ihren Vortrag in London besucht und stimme jedem Ihrer Worte zu. Fünf Tage später erhielt er einen Brief: Gott sei Dank, ich bin doch nicht allein. Der große Vicary ist auf meiner Seite! Bitte erweisen Sie mir die Ehre, und kommen Sie am Sonntag zum Lunch nach Chartwell.
    Ihre erste Begegnung war ein Erfolg. Vicary wurde sofort in den Kreis jener Wissenschaftler, Journalisten, Beamten und Offiziere aufgenommen, die Churchill in den folgenden Jahren beraten und mit Informationen über Deutschland versorgen sollten. Winston zwang Vicary zum Zuhören, während er über den alten Parkettboden in seiner Bibliothek schritt und seine Theorien über die Absichten Deutschlands darlegte. Manchmal war Vicary anderer Ansicht und nötigte Churchill, seinen Standpunkt näher zu erläutern. Manchmal geriet Churchill in Zorn und weigerte sich, klein beizugeben. Doch Vicary ließ sich nicht unterkriegen. Auf diese Weise hatte sich ihre Freundschaft gefestigt.
    Jetzt, als Vicary in der Abenddämmerung nach Hause ging, dachte er über die Einladung nach Chartwell nach. Churchill wollte bestimmt nicht nur ein Schwätzchen unter Freunden halten.
    Vicary bog in eine Straße mit schönen Villen ein, die im Dämmerlicht rosa erstrahlten. Er verlangsamte seine Schritte, als habe ihn etwas irritiert. Mit einer Hand umklammerte er die schwere Aktentasche, die andere vergrub er tief in der Manteltasche. Eine schöne Frau, etwa in seinem Alter, trat aus einer Haustür. Ein gutaussehender Mann mit gelangweiltem Gesicht folgte ihr. Trotz der Entfernung - und obwohl er schlecht sah - erkannte er, daß es Helen war. Er würde sie überall erkennen, an ihrer aufrechten Haltung, ihrem langen Hals, ihrem verächtlichen Gang, so als sei sie ständig in Gefahr, in etwas Ekliges zu treten. Vicary sah sie in den Fond eines Wagens steigen, an dessen Steuer ein Chauffeur saß. Im nächsten Moment löste sich das Auto vom Bordstein und fuhr auf ihn zu. Dreh dich zur Seite, du verdammter Narr. Sieh sie nicht an! Doch er brachte es nicht über sich. Als der Wagen an ihm vorbeirollte, wandte er den Kopf und glotzte auf den Rücksitz. Natürlich sah sie ihn, nur für einen Moment, doch der genügte. Verlegen schlug sie die Augen nieder. Durch das hintere Fenster beobachtete Vicary, wie sie sich an ihren Mann wandte und etwas zu ihm sagte. Lachend warf dieser den Kopf zurück.
    Du Idiot! Du dämlicher Idiot!
    Vicary ging weiter. Er schaute auf und sah den Wagen um die Ecke biegen. Er fragte sich, wohin sie wohl fuhren - zu einer Party, oder vielleicht ins Theater. Warum kann ich nicht von ihr lassen? Mein Gott, das ist doch jetzt fünfundzwanzig Jahre her.
    Und dann dachte er: Und warum bekomme ich immer noch Herzklopfen, wie damals, bei unserer ersten Begegnung?
    Er ging so schnell wie möglich durch mehrere Straßen, bis er müde wurde und außer Atem geriet. Er dachte an alles, was ihm in den Sinn kam - nur nicht an sie. Er gelangte an einen Spielplatz, blieb vor dem schmiedeeisernen Tor stehen und sah durch die Gitterstäbe den Kindern zu. Sie waren dick eingemummt und tapsten umher wie pummelige kleine Pinguine. Jeder deutsche Spion, der hier auf der Lauer lag, hätte erkannt, daß viele Londoner der Empfehlung der Regierung nicht folgten und ihre Kinder bei sich in der Stadt behielten.
    Vicary, der sich normalerweise nichts aus Kindern machte, stand am Tor, lauschte fasziniert und dachte, daß es nichts Tröstlicheres gab als den Lärm spielender Kinder.
    Churchills Wagen erwartete ihn am Bahnhof. Mit offenem Verdeck glitt er durch die grüne Hügellandschaft im Südwesten Englands. Es war kühl und windig, und überall blühte es. Vicary saß auf dem Rücksitz, hielt sich mit einer Hand den Mantel zu und preßte

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