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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Er sagt, nichts ärgere ihn mehr, als beim Schreiben gestört zu werden.«
    Vicary runzelte die Stirn. »Von heute an haben Sie meine ausdrückliche Erlaubnis, mich zu stören, wenn Mr. Churchill anruft.«

    »Ja, Professor Vicary«, antwortete sie, unerschüttert in ihrem Glauben, richtig gehandelt zu haben. »Was wollte der Premierminister?«
    »Er erwartet Sie morgen zum Lunch in Chartwell.«
    Je nach Laune schlug Vicary abends einen anderen Heimweg ein. Manchmal stand ihm der Sinn danach, sich durch eine belebte Einkaufsstraße oder die lärmende Menge in Soho zu zwängen. An anderen Abenden mied er die Hauptstraßen und streifte durch die ruhigen Wohnviertel, blieb zuweilen stehen und betrachtete ein prächtig erleuchtetes Haus im georgianischen Stil oder verlangsamte seine Schritte, um der Musik, dem Gelächter und Gläsergeklirr einer fröhlichen Cocktailparty zu lauschen.
    Heute ging er bei Anbruch der Dämmerung durch eine ruhige Straße.
    Vor dem Krieg hatte er an den meisten Abenden in der Bibliothek gearbeitet und war bis tief in die Nacht wie ein Gespenst zwischen den Regalen umhergehuscht. Manchmal war er sogar eingeschlafen, und so hatte Miss Walford die Nachtwächter angewiesen, ihn zu wecken, wenn sie ihn fanden, ihn in seinen Regenmantel zu stecken und nach Hause zu schicken.
    Mit der Verdunkelung hatte sich alles geändert. Abend für Abend versank die Stadt in tiefster Finsternis. Gebürtige Londoner verirrten sich in Straßen, durch die sie seit Jahren gingen. Für den nachtblinden Vicary war eine Orientierung während der Verdunkelung nahezu unmöglich. Er stellte sich vor, daß es vor zweitausend Jahren, als London noch eine Ansammlung von Holzhütten am sumpfigen Ufer der Themse war, ähnlich gewesen sein mußte. Göring hatte das Rad der Zeit zurückgedreht und mit seinen Bombern den Fortschritt der Menschheit gestoppt. Für Vicary hieß das, daß er das College lange vor Einbruch der Dunkelheit verlassen und nach Hause eilen mußte, bevor er in den dunklen Seitenstraßen von Chelsea festsaß. War er glücklich zu Hause angelangt, trank er seine beiden obligatorischen Gläser Burgunder und aß die Koteletts mit Erbsen, die das Hausmädchen für ihn warmgestellt hatte. Er wäre wohl verhungert, wenn sie nicht für ihn gekocht hätte, denn er kämpfte immer noch mit den Tücken der modernen englischen Küche.
    Nach dem Abendessen hörte er gewöhnlich Musik oder ein Hörspiel im Radio, oder er las einen Kriminalroman, eine heimliche Leidenschaft, von der niemand wußte. Er liebte Geheimnisse und Rätsel. Er liebte es, die Fälle selbst zu analysieren und mit seiner eigenen Kombinationsgabe zu lösen, lange bevor der Autor es für ihn tat. Und er liebte die Charakterstudien in den Kriminalromanen - dort entdeckte er Parallelen zu seiner eigenen Arbeit, die ihn immer wieder mit der Frage konfrontierte, warum gute Menschen manchmal niederträchtige Dinge taten.
    Vicary schlief in Etappen. Zunächst döste er bei brennender Leselampe in seinem Lieblingssessel ein. Dann wechselte er auf das Sofa. Zuletzt, gewöhnlich in den frühen Morgenstunden, schlurfte er nach oben ins Schlafzimmer. Die Konzentration, die das Auskleiden erforderte, machte ihn manchmal so munter, daß er nicht wieder einschlafen konnte, und so lag er wach, dachte nach und wartete auf das Grauen des Tages und das Kichern der alten Elster, die jeden Morgen draußen im Garten im Vogelbad planschte.
    Er zweifelte daran, daß er heute nacht ruhigen Schlaf finden würde - nicht nach Churchills Einladung.
    Es war durchaus nicht ungewöhnlich, daß Churchill ihn im Büro anrief, ungewöhnlich war nur der Zeitpunkt. Vicary war seit Herbst 1935 mit ihm befreundet, als er einen Vortrag Churchills in London besucht hatte. Churchill war damals der einzige gewesen, der vor der Bedrohung durch die Machthaber in Nazideutschland warnte. An jenem Abend behauptete er, daß Deutschland sich in fieberhaftem Tempo wiederbewaffne und daß Hitler losschlagen wolle, sobald er dazu in der Lage sei.
    England müsse sofort aufrüsten, wenn es nicht in sklavische Abhängigkeit von den Nazis geraten wolle. Die Zuhörer dachten, er habe den Verstand verloren, und störten seine Rede gnadenlos durch Zwischenrufe. Churchill brach seine Ausführungen abrupt ab und kehrte gekränkt nach Chartwell zurück.
    Vicary stand an jenem Abend im hinteren Te il des Saales und beobachtete das Spektakel. Auch er hatte die Entwicklung in Deutschland seit Hitlers

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