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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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ein ungemachtes Bett, nicht größer als Vicarys Pritsche, eine winzige Kochnische mit einem Gasbrenner, auf dem Kaffee kochte, ein kleiner Couchtisch, um den reglos zwei Männer saßen und Radio hörten. Beide hatten eine Gauloise im Mund, und blauer Rauch schwebte in der Luft. Alle Lampen waren gelöscht, nur durch ein schmales Fenster, das auf die Rückseite der Häuser in der Nachbarstraße hinausging, fiel etwas Licht. Vicary trat an das Fenster und sah auf eine mit Müll übersäte Gasse hinaus. Zwei kleine Jungen warfen Blechbüchsen in die Luft und schlugen mit Stöcken nach ihnen. Eine Windhose wirbelte altes Zeitungspapier in die Höhe, so daß es aussah wie kreisende Möwen. Boothby goß Kaffee in zwei wenig vertrauenerweckende Emailbecher. Einen reichte er Vicary, den anderen behielt er selbst. Der Kaffee war zu stark und schmeckte abscheulich - bitter und abgestanden -, aber er war heiß und hatte Koffein.
    Boothby deutete mit seinem angeschlagenen Becher zuerst auf den älteren und größeren der beiden Männer und stellte vor:
    »Alfred Vicary, das ist Pelikan. Natürlich ist das nur sein Deckname. Ich fürchte, seinen richtigen Namen werden Sie nie erfahren. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich ihn kenne.« Er deutete mit dem Becher auf den zweiten Mann am Tisch. »Und das ist Hawke - das ist kein Deckname, er heißt wirklich so.
    Hawke arbeitet für uns, nicht wahr, Hawke?«
    Aber Hawke ließ nicht erkennen, ob er Boothby zugehört hatte. Er sah elend aus und war erschreckend mager. Sein billiger Anzug hing an seinen knochigen Schultern wie an einem Kleiderbügel. Er hatte die ungesunde Blässe eines Mannes, der nur nachts oder unter Tage arbeitet. Sein blondes Haar war schütter und bereits stark ergraut, obwohl er bestimmt nicht älter war als die Jungs, die Vicary in seinem letzten Semester an der Universität unterrichtet hatte. Er hielt seine Gauloise wie ein Franzose, zwischen der Spitze seines langen Daumens und seinem Zeigefinger. Vicary hatte das ungute Gefühl, daß er ihm irgendwo schon einmal begegnet war - in der Kantine vielleicht, oder vor der Registratur, mit einem Stapel Akten unter dem Arm. Oder hatte er ihn gesehen, als er Boothbys Büro durch die Geheimtür verließ, so wie Grace Clarendon neulich abends?
    Hawke sah Vicary nicht an. Er rührte sich erst, als Boothby zwei Schritte auf ihn zu trat. Und auch dann neigte er nur leicht den Kopf und verzog das Gesicht, als fürchte er, Boothby könnte ihn schlagen.
    Als nächstes musterte Vicary Pelikan. Der Mann hätte ebenso Schriftsteller wie Hafenarbeiter sein können, Deutscher wie Franzose. Vielleicht auch Pole - die waren überall. Anders als Hawke erwiderte Pelikan Vicarys Blick und sah ihn leicht amüsiert an. Vicary konnte seine Augen kaum erkennen, denn der Mann trug die stärkste Brille, die er je gesehen hatte, und obendrein waren die Gläser leicht getönt, als sei er gegen helles Licht empfindlich. Unter seinem Ledermantel trug er einen grauen Rollkragenpullover und eine durchgescheuerte beige Strickjacke, die so aussah, als sei sie von einer fürsorglichen Verwandten gestrickt worden, die ebenso gute Augen hatte wie er. Er rauchte seine Gauloise bis auf einen kurzen Stummel und drückte sie dann mit seinem rissigen Daumennagel aus.
    Boothby legte den Mantel ab und drehte das Radio leiser.
    Dann sah er Vicary an und sagte: »Also, wo soll ich beginnen?«
    Hawke arbeitete nicht für uns, Hawke arbeitete für Boothby.
    Boothby kannte Hawkes Vater. Er hatte in Indien mit ihm zusammengearbeitet. Beim Sicherheitsdienst. Den Sohn, also den jungen Hawke, hatte er 1935 in Großbritannien kennengelernt, bei einem Essen auf dem Gut der Familie in Kent. Der junge Hawke trank und redete an jenem Abend zuviel, machte seinem Vater und Boothby Vorhaltungen wegen ihrer Arbeit, zitierte Marx und Lenin wie andere Shakespeare und deutete mit ausladender Geste auf den herrlichen Garten, als sei er der Beweis für die Verworfenheit der herrschenden Klasse in England. Nach dem Essen schenkte Hawke Senior Boothby ein schwaches Lächeln, um sich für das ungebührliche Betragen seines Filius zu entschuldigen: »Die heutige Jugend... Sie wissen ja... der Mist, den sie in der Schule lernen... das Geld für ihre Ausbildung, alles zum Fenster rausgeworfen.«
    Auch Boothby lächelte. Er hatte sehr lange nach einem Mann wie Hawke gesucht.
    Boothby brauchte Leute für eine neue Mission: die Überwachung der Kommunisten, insbesondere an den

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