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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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wußte, daß er gerade einen Blick hinter die Kulissen geworfen hatte. Er war durch eine geheime Welt der Täuschung geführt worden, von deren Existenz er nicht einmal etwas geahnt hatte. Er kletterte in den Wagen und schloß die Tür. Boothby stieg nach ihm ein. Sie fuhren zur Kingsland Road, dann nach Süden in Richtung Themse. Vicary warf einen kurzen Seitenblick auf Boothby.
    Boothby machte einen sehr selbstzufriedenen Eindruck.
    »Warum haben Sie mir das alles gezeigt?« fragte Vicary.
    »Weil ich es wollte.«
    »Und was ist mit Ihrem Informationsbedarf? Ich brauche das alles nicht zu wissen. Sie hätten meinen Bericht an Schellenberg weiterleiten können, ohne mir ein Wort davon zu sagen.«
    »Das stimmt.«
    »Warum haben Sie es dann getan? Um mich zu beeindrucken?«
    »In gewisser Weise, ja«, antwortete Boothby. »Mit Ihrer Idee, Catherine Blake nicht aus dem Verkehr zu ziehen, haben Sie eine Menge Leute beeindruckt, mic h eingeschlossen. Ich habe begriffen, daß ich Sie unterschätzt habe, Alfred, Ihre Intelligenz und Ihre Skrupellosigkeit. Man muß schon ein kaltblütiger Bursche sein, wenn man Peter Jordan mit einer Aktentasche voller gefälschtem Material zurück in dieses Schlafzimmer schickt. Ich wollte Ihnen die nächste Ebene des Spiels zeigen.«
    »Halten Sie es tatsächlich für ein Spiel, Sir Basil?«
    »Nicht für ein Spiel, Alfred, für das Spiel.«
    Boothby lächelte. Dieses Lächeln konnte seine beste Waffe sein. Vicary sah ihn an und dachte, daß er seine Frau Penelope wohl genauso anlächelte, wenn er ihr versicherte, daß er seine jüngste kleine Affäre beendet habe.

    Kesselpauke machte es erforderlich, daß Vicary, um den Schein zu wahren, einen Großteil des Tages in seinem beengten Büro in der MI5-Zentrale verbrachte - schließlich versuchten sie, die Abwehr und den Rest des Departments glauben zu machen, daß sie immer noch nach einer deutschen Agentin fahndeten, die Zugang zu streng geheimem Material habe. Er schloß die Tür und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er legte wie ein schläfriger Student den Kopf auf den Tisch und schloß die Augen. Und schon im nächsten Moment war er wieder in der schäbigen Wohnung in Hoxton. Er sah Pelikan und Hawke. Er sah die kleinen Jungs in der schmutzigen Gasse hinter dem Haus, die dünnen Beinchen, die aus ihren kurzen Hosen hervorschauten. Er sah die Motte, die zu Staub zerfiel. Er hörte die Orgelmusik, die durch die große Kirche hallte. Er dachte an Matilda und bekam Schuldgefühle, weil er ihre Beerdigung versäumt hatte.
    Verdammt, warum kann ich all das nicht für ein paar Minuten abstellen und schlafen?
    Dann sah er Boothby, wie er in der Wohnung auf und ab ging, ihm die Geschichte von Hawke und Pelikan erzählte und ihn in das raffinierte Doppelspiel einweihte, mit dem er Schellenberg täuschte. Nie hatte er Boothby so fröhlich gesehen wie da draußen, bei seinen Agenten, aus einem angeschlagenen Emailbecher abscheulichen Kaffee trinkend. Er begriff, daß er Boothby falsch eingeschätzt hatte oder, genauer gesagt, daß er von Boothby getäuscht worden war. Wie das gesamte Department. Der komische Bürokrat, der durch sein elegantes Büro stolzierte, die albernen persönlichen Maximen, die rote und die grüne Lampe, der lächerliche Sauberkeitstick und die Panik vor Glasrändern auf seinen kostbaren Möbeln - alles war eine einzige Lüge. Das war nicht Basil Boothby. Basil Boothby war kein Schreibtischhengst. Boothby war ein Agentenführer.
    Ein Lügner. Ein Schwindler. Ein Falschspieler. Während Vicary langsam eindöste, stellte er fest, daß er Boothby jetzt etwas weniger verabscheute. Nur eines störte ihn: Warum hatte Boothby den Schleier gelüftet? Warum gerade jetzt?
    Vicary spürte, wie er in einen traumlosen Schlaf sank. In der Ferne schlug der Big Ben zehn Uhr. Das Geläut verstummte und wich dem dumpfen Rattern der Fernschreiber hinter der geschlossenen Tür. Er wollte lange schlafen. Er wollte einfach alles vergessen. Aber schon nach kurzer Zeit klopfte es - zuerst leise, dann lauter. Dann die Stimme eines Mädchens - zuerst sanft und angenehm, dann drängend: »Professor Vicary...
    Professor Vicary... Bitte, wachen Sie auf... Professor Vicary...
    Hören Sie mich?«
    Vicary, dessen Kopf noch immer auf den gefalteten Händen ruhte, schlug die Augen auf. Für einen Moment dachte er, es sei Helen. Doch es war nur Prudence, ein blonder Engel aus dem Schreibbüro. »Tut mir leid, daß ich Sie wecken muß, Professor.
    Aber

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