Double Cross. Falsches Spiel
Verstärkung über Funk anfordern, konnte nicht auf die Unterstützung seiner Kameraden bauen. Er ging weiter, überrascht, wie ruhig er war. Sie folgen uns schon seit Stunden, dachte er. Warum haben sie uns nicht schon längst verhaftet? Er glaubte die Antwort zu kennen. Offenbar wollten sie mehr erfahren. Wo der Film deponiert wurde. Wo Neumann wohnte.
Ob noch andere Agenten beteiligt waren. So lange er ihnen nicht die Antworten auf diese Fragen lieferte, waren Catherine und er sicher. Es war ein sehr schwaches Blatt, aber wenn er es klug ausspielte, hatten sie vielleicht eine Chance zu entkommen.
Neumann beschleunigte seine Schritte. Catherine, die mehrere Meter vor ihm ging, bog in die Bond Street ein. Sie blieb stehen, um ein Taxi anzuhalten. Neumann ging schneller, dann fiel er in einen leichten Trab. Er rief: »Catherine! Mein Gott, das ist ja eine Ewigkeit her. Wie ist es Ihnen denn ergangen?«
Sie blickte ihn entgeistert an. Neumann nahm sie am Arm.
»Wir müssen miteinander reden«, sagte er. »Lassen Sie uns irgendwo einen Tee trinken und Versäumtes nachholen.«
Neumanns plötzlicher Schachzug schlug in der Kommandostelle in der West Halkin Street wie eine Zehn-Zentner-Bombe ein. Basil Boothby ging nervös auf und ab und telefonierte angespannt mit dem Generaldirektor. Der Direktor stand in ständigem Kontakt mit dem Zwanziger-Komitee und dem Stab des Premierministers in dessen unterirdischem Hauptquartier. Vicary hatte sich in eine ruhige Ecke zurückgezogen und starrte, die Hände unter dem Kinn gefaltet, die Wand an. Boothby knallte den Hörer auf die Gabel und sagte: »Das Zwanziger-Komitee sagt, nicht festnehmen.«
»Das gefällt mir gar nicht«, sagte Vicary, noch immer die Wand anstarrend. »Sie haben offensichtlich bemerkt, daß sie beschattet werden. Jetzt sitzen sie da und überlegen, was sie tun sollen.«
»Woher wollen Sie das so genau wissen?«
Vicary sah auf. »Wir haben nie beobachtet, daß sie sich mit einem anderen Agenten getroffen hat. Und jetzt plötzlich sitzt sie mit Rudolf in einem Café in Mayfair bei Tee und Toast.«
»Wir observieren sie doch erst seit drei Wochen. Wer sagt uns denn, daß sie sich nicht schon vorher mit Rudolf getroffen hat.«
»Da stimmt doch etwas nicht. Ich glaube, daß sie unsere Leute entdeckt haben. Außerdem glaube ich, daß Rudolf nach ihnen Ausschau gehalten hat. Deshalb ist er ihr nach dem Treff gefolgt.«
»Das Zwanziger-Komitee hat seine Entscheidung getroffen. Es sagt, nicht festnehmen, also nehmen wir sie nicht fest.«
»Wenn sie bemerkt haben, daß sie observiert werden, ist das sinnlos. Rudolf wird den Film nicht deponieren, und er wird sich von anderen Agenten des Netzes fernhalten. Es bringt überhaupt nichts, wenn wir sie weiter beschatten. Es ist aus, Sir Basil.«
»Was schlagen Sie vor, Alfred?«
»Sofort zuschlagen. Festnehmen, sobald sie das Café verlassen.«
Boothby starrte Vicary an, als habe er etwas Ketzerisches gesagt. »Plötzlich kalte Füße bekommen, Alfred?«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Die Sache war doch Ihre Idee, oder nicht? Sie haben sie sich ausgedacht und dem Premierminister schmackhaft gemacht. Der Generaldirektor hat seinen Segen gegeben, und das Zwanziger-Komitee hat zugestimmt. Seit Wochen plagt sich eine Gruppe von Offizieren Tag und Nacht damit ab, das Material für diesen Koffer zu liefern. Und jetzt wollen Sie alles abblasen, einfach so...« Sir Basil schnippte so laut mit den Fingern, daß es wie ein Gewehrschuß klang, »...nur weil Sie ein ungutes Gefühl haben.«
»Es ist mehr als ein ungutes Gefühl, Sir Basil. Herrgott noch mal, lesen Sie die Observierungsberichte. Da steht alles drin.«
Boothby ging wieder auf und ab, die Hände hinter dem Rücken verschränkt und den Kopf leicht gehoben, als ob er angestrengt einem störenden Geräusch in der Ferne lausche.
»Sie werden sagen, er war gut, solange es nur um Funkspiele ging, aber für das Manöver mit Agenten aus Fleisch und Blut hatte er nicht die nötigen Nerven. So wird man Sie beurteilen, wenn alles vorbei ist. Eigentlich nicht weiter verwunderlich, schließlich war er nur ein Amateur. Ein kluger Junge von der Universität, der im Krieg seinen Beitrag leistete und dann den Schwanz einkniff, als es darauf ankam. Er war gut, sehr gut, aber er hatte nicht den Mumm, mit hohen Einsätzen zu spielen.
Wollen Sie so beurteilt werden? Wenn ja, dann greifen Sie zum Telefon, und sagen Sie dem Generaldirektor, daß wir die Sache jetzt
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