Double Cross. Falsches Spiel
ist. Und ich muß einfach wissen, warum.«
Ihr Gesicht wurde ernst. »Stimmt das, Professor?«
»Leider ja.«
Sie sah ihn einen Augenblick schweigend an, während das Gebäude von einer erneuten Bombenexplosion erschüttert wurde.
»Welche Akte?« fragte sie.
»Über eine Operation namens Kesselpauke.«
Grace runzelte verwirrt die Stirn. »Ist das nicht der Deckname der Operation, an der Sie selbst beteiligt sind?«
»Ja.«
»Einen Augenblick mal. Sie wollen, daß ich meinen Hals riskiere, um Ihnen die Akte über Ihren eigenen Fall zu zeigen?«
»So ähnlich«, sagte Vicary. »Nur daß ich sie mit der Akte eines anderen Offiziers vergleichen will.«
»Mit wessen Akte?«
Vicary sah ihr direkt in die grünen Augen und formte mit den Lippen die Initialen BB.
Fünf Minuten später kam sie zurück. Sie hatte einen leeren Aktenordner in der Hand.
»Operation Kesselpauke ist abgeschlossen«, sagte sie.
»Wo ist der Inhalt?«
»Entweder vernichtet oder bei dem zuständigen Offizier.«
»Wann wurde die Akte angelegt?«
Grace blickte auf den Deckel, dann sah sie Vicary an.
»Merkwürdig«, sagte sie. »Nach dem, was hier steht, endete Operation Kesselpauke im Oktober 1943.«
51
Cambridgeshire, England
Zu dem Zeitpunkt, als Scotland Yard die von Alfred Vicary geforderten Straßensperren errichtete, hatten Horst Neumann und Catherine Blake London bereits hinter sich gelassen und rasten auf der A 10 nach Norden. Der Lieferwagen war offensichtlich gut gewartet worden. Er würde mindestens hundert Kilometer pro Stunde machen, und der Motor lief ruhig.
Die Reifen hatten noch ein ordentliches Profil und hafteten überraschend gut auf der regennassen Straße. Und das Fahrzeug hatte noch einen entscheidenden Vorteil: Ein schwarzer Lieferwagen fiel unter den anderen Nutzfahrzeugen auf den Straßen nicht auf. Da der Privatverkehr seit der Benzinrationierung praktisch zum Erliegen gekommen war, hätte die Polizei vermutlich jede normale Limousine, die um diese späte Uhrzeit noch unterwegs war, gestoppt und ihre Insassen überprüft.
Die Straße führte schnurgerade durch die größtenteils flache Landschaft. Neumann saß zusammengekrümmt hinter dem Steuer und starrte angestrengt auf das kurze Stück Straße, das von den verdunkelten Scheinwerfern beleuchtet wurde. Einen Augenblick lang erwog er, die Verdunkelungsblenden zu entfernen, verwarf den Gedanken aber wieder als zu riskant. Er raste durch verlassen wirkende Dörfer, nirgends brannte ein Licht, und kein Mensch war auf der Straße. Es war, als sei das Rad der Zeit um zweitausend Jahre zurückgedreht worden.
Neumann wäre kaum überrascht gewesen, wenn am Ufer des Cam eine römische Legion gelagert hätte.
Weitere Dörfer folgten - Melbourne, Foxton, Newton, Hauxton... Bei der Vorbereitung auf seinen Einsatz in Vogels Bauernhaus bei Berlin hatte Neumann stundenlang alte Generalstabskarten von Großbritannien studiert. Er kannte die Straßen und Wege in East Anglia vermutlich so gut wie die meisten Engländer - oder besser.
Melbourne, Foxton, Newton, Hauxton...
Jetzt mußte gleich Cambridge kommen.
Cambridge bedeutete Gefahr. Bestimmt hatte der MI5 die Polizeikräfte in den größeren Städten alarmiert. Die Polizisten in den Dörfern und Weilern stellten keine große Bedrohung dar.
Sie drehten ihre Runden zu Fuß oder mit dem Fahrrad, und die Nachrichtenverbindungen waren so schlecht, daß sie die Fahndungsmeldung möglicherweise noch gar nicht erhalten hatten. Neumann fuhr so schnell durch die verdunkelten Dörfer, daß ihn die Polizisten kaum sahen. Mit Städten wie Cambridge war es etwas anderes. Die hiesige Polizei war höchstwahrscheinlich in Bereitschaft und hatte genügend Leute, um an einer großen Straße wie der A 10 eine Straßensperre zu errichten. Und sie verfügte über Autos und konnte die Verfolgung aufnehmen. Neumann kannte die Straßen und war ein guter Fahrer, aber mit einem hier ansässigen erfahrenen Polizeibeamten konnte er nicht konkurrieren.
Bevor sie Cambridge erreichten, bog er in eine kleine Nebenstraße ein. Er passierte die Ausläufer der Gog Magog Hills und fuhr am Ostrand der Stadt entlang nach Norden. Sie kamen durch ein Dorf namens Horningsea, überquerten den Cam und gelangten in das Dorf Waterbeach, das sich längs der A10 erstreckte. Er fuhr langsam durch die verdunkelten Straßen, bis er die größte gefunden hatte. Er sah kein Schild, das sie als die A10 ausgewiesen hätte, ging jedoch davon aus, daß sie es war.
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