Double Cross. Falsches Spiel
gesamtes Täuschungsmanöver zunichte zu machen. Das ist zweifellos die größte Katastrophe in der Geschichte des Departments.«
»Die Special Branch hat so viele Leute aufgeboten, wie sie für die Festnahme für erforderlich hielt. Offensichtlich hat sie sich verrechnet.«
Boothby unterbrach seine Wanderung und maß Vicary mit einem kalten Blick. »Versuchen Sie nicht, die Schuld auf die Special Branch abzuwälzen, Alfred. Sie haben den Einsatz geleitet. Für diesen Teil der Operation Kesselpauke waren Sie verantwortlich.«
»Das ist mir klar, Sir Basil.«
»Gut. Wenn die ganze Sache vorbei ist, gibt es nämlich eine interne Untersuchung, und ich bezweifle, daß Ihre Leistungen dabei in einem günstigen Licht erscheinen.«
Vicary erhob sich. »Ist das alles, Sir Basil?«
»Ja.«
Vicary wandte sich um und ging zur Tür.
Fernes Sirenengeheul kündigte einen Luftangriff an, als Vicary in die Registratur hinunterging. Die Räume lagen im Halbdunkel, nur ein paar Lichter brannten. Vicary stach wie immer der Geruch nach verrottendem Papier, Staub, Feuchtigkeit und Nicholas Jagos stinkender Pfeife in die Nase.
Er warf einen Blick auf Jagos Glaskasten. Das Licht war aus, die Tür verschlossen. Er hörte das wütende Trommeln hoher Absätze und erkannte Grace Clarendons energischen Gang. Ihr blonder Haarschopf tauchte kurz hinter den Regalen auf und war gleich wieder verschwunden. Er folgte ihr in einen Nebenraum und rief schon von weitem ihren Namen, um sie nic ht zu erschrecken. Sie fuhr herum und blitzte ihn aus ihren grünen Augen feindselig an, dann wandte sie sich wieder ab und fuhr fort, Akten einzuordnen.
»Kommen Sie mit einem dienstlichen Anliegen, Mr. Vicary?
Wenn nicht, können Sie gleich wieder gehen. Ihretwegen habe ich schon genug Scherereien. Wenn man mich wieder dabei erwischt, wie ich mit Ihnen spreche, kann ich von Glück sagen, wenn ich noch einen Job als Luftschutzhelferin bekomme. Bitte gehen Sie, Professor.«
»Ich muß eine Akte einsehen, Grace.«
»Bringen Sie mir eine Genehmigung von Boothby, und Sie können einsehen, was Sie wollen, Professor.«
»Er würde mir für die Akte, die ich einsehen will, keine Genehmigung geben.«
»Dann können Sie sie nicht einsehen«, sagte sie kühl. »So sind nun mal die Vorschriften.«
Die ersten Bomben fielen, vermutlich auf der anderen Flußseite. Dann eröffneten die Flakbatterien in den Parks das Feuer. Vicary hörte das Dröhnen der Heinkel-Bomber. Grace unterbrach ihre Arbeit und warf einen Blick zur Decke. Mehrere Bomben schlugen ganz in der Nähe ein. Das ganze Gebäude erzitterte, und Akten fielen aus den Regalen. Grace warf einen Blick auf das Durcheinander und murmelte: »Verdammter Mist.«
»Ich weiß, daß Boothby Sie zwingt, Dinge zu tun, die Sie nicht wollen. Ich habe gehört, wie Sie in seinem Büro mit ihm gestritten haben, und gestern abend habe ich gesehen, wie Sie in der Northumberland Avenue in sein Auto gestiegen sind. Und erzählen Sie mir nicht, Sie hätten ein Verhältnis mit ihm. Ich weiß nämlich, daß Sie Harry lieben.«
Vicary bemerkte, daß ihre grünen Augen feucht wurden und die Akte in ihrer Hand zitterte.
»Das alles ist allein Ihre Schuld!« schimpfte sie. »Wenn Sie ihm nicht von der Akte Vogel erzählt hätten, würde ich jetzt nicht in der Patsche sitzen.«
»Was verlangt er von Ihnen?«
Sie zögerte. »Bitte gehen Sie, Professor. Bitte.«
»Ich werde nicht gehen, bevor Sie mir nicht gesagt haben, was Boothby von Ihnen will.«
»Verdammt nochmal, Professor Vicary! Er wollte, daß ich Ihnen nachspioniere. Ihnen und Harry.« Sie zwang sich, ihre Stimme zu senken. »Ich sollte ihm alles erzählen, was Harry mir erzählte, im Bett und anderswo.«
»Was haben Sie ihm erzählt?«
»Alles, was Harry mir gegenüber über den Fall und den Gang der Ermittlungen erwähnt hat. Ich habe ihm auch erzählt, was ich in den Karteien für Sie nachsehen sollte.« Sie nahm eine neue Handvoll Akten von ihrem Karren und stellte sie in die Regale. »Wie ich höre, war Harry bei der Schweinerei in Earl's Court mit dabei.«
»Und ob. Er ist der Mann der Stunde.«
»Wurde er verletzt?«
Vicary nickte. »Er ist oben. Die Ärzte konnten ihn nicht im Bett halten.«
»Wahrscheinlich hat er eine Dummheit begangen, nicht wahr? Sich beweisen wollen, was für ein Kerl er ist. Oh Gott, manchmal kann er so ein dummer, starrköpfiger Idiot sein.«
»Grace, ich muß die Akte sehen. Boothby wird mich feuern, wenn diese Sache vorbei
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