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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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voran.
    Manchmal hatte er trotz des flachen Geländes das Gefühl, durch einen Abgrund zu treiben.
    Catherine saß neben ihm und las im Licht ihrer Taschenlampe Doghertys alte Generalstabskarte. Sie sprachen deutsch, damit Jenny sie nicht verstehen konnte. Neumann kam Catherines Deutsch seltsam vor. Sie sprach ohne Ausdruck, ohne Melodie, ohne regionalen Akzent, als habe sie es als Zweit-oder Drittsprache gelernt.
    Neumann legte die Route fest, und Catherine dirigierte ihn.
    Cleethorpes, wo das Boot auf sie wartete, lag neben dem Hafen von Grimsby an der Mündung des Humber. Hatten sie den Wash erst einmal hinter sich gelassen, würden sie durch keine größeren Städte mehr kommen. Auf der Karte war die A

    16 eingezeichnet, eine ausgebaute Straße, die mehrere Kilometer landeinwärts am Fuße der Lincolnshire Wolds verlief und dann hinunter zum Humber führte. Bei der Planung der Route ging Neumann vom schlimmsten Fall aus: Mary wurde gefunden, der MI5 verständigt, jede wichtige Straße in Küstennähe gesperrt.
    Aus diesem Grund wollte Neumann nur die halbe Strecke bis Cleethorpes der A 16 folgen und dann eine kleinere Straße nehmen, die näher an der Küste verlief.
    Boston lag nahe dem Westufer des Wash. Es war die letzte größere Stadt zwischen ihnen und dem Humber. Neumann verließ die Hauptstraße, fuhr langsam durch ruhige Seitenstraßen und bog erst im Norden der Stadt wieder auf die A 16 ein. Er gab Vollgas und jagte durch den Sturm.
    Catherine knipste die Taschenlampe aus und sah zu, wie der Regen im schwachen Licht der Scheinwerfer wirbelte.
    »Wie ist es zur Zeit in Berlin?«
    Neumann wandte die Augen nicht von der Straße. »Einfach paradiesisch. Wir sind alle glücklich, wir arbeiten fleißig in den Fabriken, wir drohen den amerikanischen und britischen Bombern mit der Faust, und alle lieben den Führer.«
    »Klingt wie aus einem Propagandafilm von Goebbels.«
    »In Wirklichkeit ist es nicht ganz so lustig. Um Berlin steht es inzwischen sehr schlimm. Am Tag kommen die Amerikaner mit ihren BBombern und in der Nacht die Briten mit ihren Lancaster-und Halifax-Maschinen. An manchen Tagen hat man den Eindruck, daß die Stadt pausenlos bombardiert wird. Die Innenstadt ist fast völlig zerstört.«
    »Ich habe die deutschen Luftangriffe auf London erlebt und fürchte, daß die Deutschen nichts anderes verdient haben. Sie haben als erste Krieg gegen die Zivilbevölkerung geführt. Ich kann nicht in Tränen ausbrechen, wenn Amerikaner und Briten Berlin jetzt in Schutt und Asche legen.«
    »Sie reden ja wie eine Britin.«

    »Ich bin halbe Britin. Meine Mutter war Engländerin. Und ich habe sechs Jahre unter Engländern gelebt. Da kann man leicht vergessen, auf welcher Seite man steht. Aber erzählen Sie mir mehr von Berlin.«
    »Wer Geld oder Beziehungen hat, bekommt auch genug zu essen. Die anderen nicht. Die Russen haben im Osten den Spieß umgedreht. Ich vermute, halb Berlin hofft, daß die Invasion gelingt, damit die Amerikaner noch vor dem Iwan in Berlin einmarschieren.«
    »Typisch deutsch. Erst wählen sie einen Psychopathen und statten ihn mit unumschränkter Macht aus, und dann jammern sie, wenn er sie an den Rand des Abgrunds geführt hat. Jeder, der halbwegs bei Verstand war, hat das schon 1938 kommen sehen.«
    Neumann lachte. »Wenn Sie mit solchem Weitblick gesegnet waren, warum haben Sie sich dann freiwillig als Spionin gemeldet?«
    »Wer sagt denn, daß ich mich freiwillig gemeldet habe?«
    Sie rasten durch zwei Dörfer, Stickney und Stickford. Der Geruch der Holzfeuer in den Häusern drang bis ins Innere des Wagens.
    Neumann hörte einen Hund bellen, dann einen zweiten. Er zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche und reichte es Catherine. Sie zündete zwei an und gab ihm eine.
    »Würden Sie mir Ihre letzte Bemerkung erklären?«
    Soll ich? fragte sie sich. Es war nach all der Zeit schon seltsam genug, deutsch zu sprechen. Sechs Jahre lang hatte sie jedes Quentchen Wahrheit über sich verborgen. Sie war eine andere geworden und hatte jeden Aspekt ihrer Persönlichkeit und Vergangenheit ausgelöscht. Wenn sie an die Person dachte, die sie vor dem Krieg gewesen war, dann war das, als denke sie an jemand anderes.

    Anna Katarina von Steiner kam bei einem tragischen Autounfall in der Nähe von Berlin ums Leben.
    »Jedenfalls bin ich nicht einfach zum örtlichen Büro der Abwehr gegangen und habe als Spionin angeheuert«, sagte sie.
    »Aber soweit ich weiß, läuft das in unserer Branche

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