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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Kampfsportarten und nutzte seine Freizeit, um in Übung zu bleiben. Mit beiden Händen gleich geschickt, konnte er mit jeder Hand schreiben, rauchen, seinen Gin mit Bitterlikör trinken oder seinem Gegenüber das Genick brechen. Er spielte so gut Tennis, daß er das Turnier in Wimbledon hätte gewinnen können. ›Trickreich‹ war das Wort, mit dem sein Spiel am häufigsten beschrieben wurde, da er zuweilen mitten im Ballwechsel die Spielhand wechselte und dadurch seine Gegner verwirrte. Über sein Liebesleben wurde viel geredet und gerätselt - die einen hielten ihn für einen unermüdlichen Schürzenjäger, der jede zweite Sekretärin aus der Registratur aufs Kreuz gelegt habe, die anderen für einen verkappten Homosexuellen.
    Für Vicary verkörperte Sir Basil Boothby alle Untugenden des britischen Geheimdienstes zwischen den Weltkriegen - ein Engländer von vornehmer Herkunft, in Eton und Oxford erzogen und fest davon überzeugt, daß er auf die geheime Ausübung von Macht einen ebenso legitimen Anspruch hatte wie auf das Vermögen und das jahrhundertalte Landhaus seiner Familie in Hampshire. Er war stur, faul und konservativ, ein Polizist in maßgefertigten Schuhen und Anzügen aus der Savile Row. Die neuen Mitarbeiter, die bei Ausbruch des Krieges zum MI5 stießen, stellten Boothby intellektuell in den Schatten - Koryphäen von den Universitäten, die besten Juristen von den renommiertesten Londoner Kanzleien. Boothby war in keiner beneidenswerten Lage, denn er mußte Männer führen, die cleverer waren als er, und gleichzeitig versuchen, die Anerkennung für ihre Leistungen einzustecken.
    »Tut mir leid, daß Sie warten mußten, Alfred. Eine Besprechung im unterirdischen Bunker mit Churchill, dem Generaldirektor, Menzies und Ismay. Ich fürchte, wir haben ein kleines Problem. Ich trinke Brandy mit Soda. Und was nehmen Sie?«
    »Whisky«, antwortete Vicary und betrachtete Boothby.
    Obwohl Boothby einer der ranghöchsten Offiziere im MI5 war, erwähnte er immer noch mit kindlichem Stolz die Namen der mächtigen Leute, mit denen er regelmäßig verkehrte. Die Männer, die soeben in der unterirdischen Festung des Premierministers getagt hatten, bildeten im Augenblick die Elite des britischen Geheimdienstes: Sir David Petrie, der Generaldirektor des MI5, Sir Stewart Menzies, der Generaldirektor des MI6, und General Sir Hastings Ismay, Churchills persönlicher Stabschef. Boothby drückte auf einen Knopf auf seinem Schreibtisch und bat seine Sekretärin, Vicarys Drink zu bringen. Er trat ans Fenster, zog das Verdunkelungsrollo hoch und sah hinaus.
    »Ich hoffe bei Gott, daß sie heute nacht nicht schon wieder kommt, diese verfluchte deutsche Luftwaffe. 1940 war es etwas anderes. Damals war es neu und irgendwie aufregend, mit dem Stahlhelm unterm Arm zum Abendessen zu gehen, in den Luftschutzraum zu rennen oder vom Dach aus die Brände zu beobachten. Aber ich glaube nicht, daß die Menschen in London noch einen Winter durchstehen, wenn die Luftangriffe so weitergehen. Sie sind zu müde. Müde, ausgehungert und schlecht gekleidet, und sie sind die Demütigungen leid, die der Krieg mit sich bringt. Ich weiß nicht, wieviel dieses Land noch aushallen kann.«
    Boothbys Sekretärin brachte Vicarys Drink auf einem Silbertablett. Das Glas stand auf einer weißen Papierserviette.
    Boothby konnte Glasränder auf den Möbeln in seinem Büro nicht ausstehen. Er setzte sich auf einen Stuhl neben Vicary und schlug die Beine übereinander, so daß die Spitze seines blankgeputzten Schuhs wie ein geladener Revolver auf Vicarys Kniescheibe zielte.
    »Wir haben eine neue Aufgabe für Sie, Alfred. Und damit Sie ihre ganze Tragweite ermessen können, haben wir beschlossen, den Schleier ein wenig zu lüften und Ihnen etwas mehr zu zeigen, als Sie bislang sehen durften. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«
    »Ich glaube schon, Sir Basil.«
    »Sie sind Historiker. Was wissen Sie über Sun-Tsu?«
    »Das 4. Jahrhundert v. Chr. in China ist nicht unbedingt mein Spezialgebiet, Sir Basil. Aber ich habe ihn gelesen.«
    »Wissen Sie, was Sun-Tsu über militärische Täuschung geschrieben hat?«
    »Sun-Tsu schreibt, daß die gesamte Kriegführung auf Täuschung beruht. Seine Empfehlung war simpel - greife den Feind dort an, wo er nicht damit rechnet, und tauche dort auf, wo er dich nicht erwartet. Er sagt, daß es eminent wichtig sei, den Feind zu korrumpieren, seine Moral zu untergraben, Zwietracht unter seinen Führern zu säen und ihn zu

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