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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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das alte Ruder, das an einer der Wände hing und in dieser offiziellen Umgebung merkwürdig deplaziert wirkte. Vielleicht war es ein Andenken an glücklichere Zeiten. An einen spiegelglatten Fluß bei Sonnenaufgang. An die Regatta Oxford gegen Cambridge. An Eisenbahnfahrten nach Hause an kühlen Herbstnachmittagen.
    »Erlauben Sie mir, daß ich diese Bemerkung erläutere, Alfred.
    Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. In der Sache Becker haben Sie erstaunliche Erfolge erzielt. Doch der Generaldirektor und ich vertreten die Ansicht, daß ein höherer Offizier einen solchen Fall übernehmen sollte.«
    »Ich verstehe«, sagte Vicary. Ein höherer Offizier, das bedeutete in Boothbys Wortschatz ein Berufsoffizier, keiner von den Neuen, die erst nach Kriegsbeginn dazugestoßen waren und denen Boothby so mißtraute.
    »Aber natürlich«, fuhr Boothby fort, »konnten wir den Premierminister nicht davon überzeugen, daß Sie nicht der beste Mann für den Fall sind. Damit ist er Ihrer. Berichten Sie mir regelmäßig über Ihre Fortschritte. Und viel Glück, Alfred. Ich fürchte, Sie werden es brauchen.«

7
    London

    Im Januar 1944 hatte das Wetter wieder seinen angestammten Platz als Gesprächsthema Nummer eins in der britischen Öffentlichkeit eingenommen. Der Sommer und der Herbst waren ungewöhnlich trocken und warm ge wesen, und der Winter war, als er dann schließlich kam, ungewöhnlich kalt.
    Eisige Nebelschwaden stiegen vom Fluß auf, trieben nach Westminster und Belgravia und hingen wie Pulverdampf über den Ruinen von Battersea und Southwark. Die Erinnerung an die Luftangriffe war fast verblaßt. Die Kinder waren zurückgekehrt, strömten, ihre Mütter im Schlepptau, in die Spielzeugläden und Kaufhäuser und tauschten unerwünschte Weihnachtsgeschenke gegen begehrtere Artikel um. Am Silvesterabend hatte sich eine riesige Menschenmenge auf dem Piccadilly Circus versammelt. Es hätte alles ganz normal gewirkt, wenn die Feier nicht im Schatten der Verdunkelung stattgefunden hätte. Doch jetzt waren die deutschen Bomber nach langer und willkommener Abwesenheit wieder am Himmel über London aufgetaucht.
    Gegen acht Uhr an diesem Abend eilte Catherine Blake über die Westminster Bridge. Drüben im East End und im Hafenviertel loderten Brände, Leuchtspurgeschosse und Suchscheinwerfer durchzogen den nächtlichen Himmel.
    Catherine hörte das dumpfe Bellen der Flakbatterien im Hyde Park und am Themseufer und roch den bitteren Rauch der Feuer.
    Sie wußte, daß ihr eine lange, arbeitsreiche Nacht bevorstand.
    Sie bog gerade in die Lambeth Palace Road ein, als ihr durch den Kopf schoß, daß sie fast starb vor Hunger. Lebensmittel waren knapper denn je. Infolge des trockenen Herbstes und des kalten Winters gab es kaum noch Gemüse. Kartoffeln und Rosenkohl waren seltene Delikatessen. Nur Kohl-und Steckrüben gab es reichlich. Sie dachte: Wenn ich noch eine Rübe essen muß, erschieße ich mich. Trotzdem glaubte sie, daß die Zustände in Berlin viel schlimmer waren.
    Ein Polizist - ein kleiner, korpulenter Mann, der für die Armee offenbar zu alt war - stand da und beobachtete die Lambeth Palace Road. Er hob die Hand und verlangte, gegen das Heulen der Sirenen anschreiend, ihren Ausweis.
    Wie immer schien Catherines Herz einen Schlag auszusetzen.
    Sie reichte ihm eine Kennkarte, die sie als Angehörige des Freiwilligendienstes für Frauen auswies. Der Polizist warf einen kurzen Blick darauf und sah ihr dann ins Gesicht. Sie berührte seine Schulter und beugte sich an sein Ohr, so daß er ihren Atem spürte, wenn sie sprach. Mit dieser Methode zähmte sie Männer schon seit Jahren.
    »Ich bin freiwillige Krankenschwester im St. Thomas Hospital.«
    Der Polizist blickte auf. Catherine sah ihm an, daß er für sie keine Bedrohung mehr darstellte. Er strahlte sie einfältig an, als habe er sich soeben in sie verliebt. Diese Reaktion war Catherine nicht neu. Sie war außergewöhnlich schön und hatte ihr Aussehen zeitlebens als Waffe benutzt.
    Der Polizist gab ihr den Ausweis zurück.
    »Wie schlimm ist es?« fragte sie.
    »Schlimm - geben Sie auf sich acht und lassen Sie den Kopf unten.«
    London brauchte weit mehr Krankenwagen, als zur Verfügung standen. Deshalb beschlagnahmten die Behörden jedes geeignete Fahrzeug, das sie kriegen konnten - Lieferwagen, Milchlaster, alles, was vier Räder und einen Motor hatte und genug Platz für einen Verletzten und einen Sanitäter bot. Catherine bemerkte, daß das rote Kreuz auf der

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