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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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seine Zigarette aus und steckte sich gleich eine neue an.
    »Aber Sie schütteln den Kopf, Alfred. Ich schätze, Sie haben die Achillesferse des ganzen Täuschungsmanövers entdeckt.«
    Vicarys Lippen kräuselten sich zu einem vorsichtigen Lächeln. Boothby kannte seine Vorliebe für die griechische Geschichte und Mythologie und hatte deshalb vielleicht geahnt, daß Vicary unwillkürlich an den Trojanischen Krieg denken würde, wenn er ihn in die Einzelheiten der Operation Fortitude einweihte.
    »Vielleicht«, sagte Vicary und deutete auf Boothbys Packung Players. »Ich fürchte, ich habe meine unten liegen lassen.«
    »Aber bitte«, sagte Boothby, reichte Vicary das Päckchen und gab ihm mit seinem Feuerzeug Feuer.
    »Achilles starb, nachdem ihn ein Pfeil an der einzigen Stelle getroffen hatte, an der er verwundbar war, an der Ferse«, sagte Vicary. »Die Achillesferse von Fortitude ist, daß ein einziger echter Bericht eines Informanten, dem Hitler vertraut, die Operation zum Scheitern bringen kann. Das Unternehmen erfordert eine totale Manipulation aller Quellen, über die Hitler und seine Geheimdienstleute verfügen. Jede einzelne muß vergiftet werden, wenn Fortitude klappen soll. Hitler muß in ein Lügengewebe eingesponnen werden. Dringt nur ein Körnchen Wahrheit zu ihm, kann der ganze Plan auffliegen.« Vicary, der innehielt, um einen Zug von seiner Players zu nehmen, konnte es sich nicht verkneifen, eine historische Parallele zu ziehen:
    »Als Achilles ausgeschaltet war, erhielt Odysseus zur Belohnung seine Rüstung. Ich fürchte, in unserem Fall bekommt sie Hitler.«
    Boothby nahm sein leeres Glas und drehte es nachdenklich in der hohlen Hand.
    »Diese Gefahr birgt jede militärische List, nicht wahr, Alfred?
    Fast jede List weist auf die Wahrheit hin. General Morgan, der mit der Planung der Invasion betraut ist, hat es auf den Punkt gebracht. Es genügt, sagt er, wenn ein einziger deutscher Agent, der etwas taugt, an der englischen Südküste von Cornwall nach Kent spaziert. Wenn das passiert, können wir die ganze Sache begraben. Und mit ihr jede Hoffnung für Europa. Das ist auch der Grund, warum wir uns den ganzen Abend mit dem Premierminister beraten haben und warum Sie jetzt hier sind, Alfred.«
    Boothby stand auf und durchschritt sein Büro.
    »Im Moment arbeiten wir noch in der begründeten Gewißheit, daß wir alle Informationsquellen Hitlers vergiftet haben. Und wir arbeiten in der begründeten Gewißheit, daß wir alle Spione Canaris' in Großbritannien zur Strecke gebracht haben und daß alle nur das tun, was wir ihnen sagen. Wäre dem nicht so, würden wir mit Fortitude gar nicht erst beginnen. Ich sage ›begründete Gewißheit‹, weil man sich in diesem Punkt niemals absolut sicher sein kann. Zweihundertsechzig Spione - und alle wurden verhaftet, umgedreht oder gehängt.«
    Boothby trat aus dem schwachen Schein der Lampe und zog sich in die Dunkelheit des Raumes zurück.
    »Letzte Woche hielt Hitler in Rastenburg eine Besprechung ab. Alle wichtigen Leute waren da - Rommel, von Rundstedt, Canaris und Himmler. Es ging um die Invasion. Besonders um Ort und Zeitpunkt der Invasion. Hitler hat Canaris die Pistole auf die Brust gesetzt - natürlich nur bildlich - und ihm mit ziemlich unangenehmen Konsequenzen gedroht, wenn er die Wahrheit nicht herausfindet. Canaris wiederum hat einen Mann aus seinem Stab mit der Sache betraut, einen gewissen Kurt Vogel. Bislang nahmen wir an, Kurt Vogel sei Canaris' persönlicher Rechtsberater. Wir haben uns offensichtlich geirrt.
    Ihre Aufgabe ist es nun, dafür zu sorgen, daß Kurt Vogel die Wahrheit nicht erfährt. Ich hatte bisher nicht die Gelegenheit, seine Akte zu lesen. Die Registratur dürfte etwas über ihn haben.«
    »Gewiß«, sagte Vicary.
    Boothby kehrte in den Schein der Lampe zurück. Er runzelte die Stirn, als habe er aus dem Nebenzimmer etwas Unangenehmes gehört, dann verfiel er in langes, nachdenkliches Schweigen.
    »Alfred«, sagte er schließlich, »ich möchte in diesem Fall von Anfang an ganz offen zu Ihnen sein. Der Premierminister will unbedingt, daß Sie den Fall übernehmen, obwohl der Generaldirektor und ich uns vehement dagegen ausgesprochen haben.«

    Vicary hielt Boothbys Blick einen Moment lang stand, dann sah er, verlegen über die Bemerkung, weg und ließ den Blick über die Wände schweifen. Über mehrere Dutzend Fotografien, die Sir Basil mit berühmten Leuten zeigten, über die auf Hochglanz polierte Eichentäfelung, über

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