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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Ambulanz, die gerade in die Zufahrt des Krankenhauses einbog, über den verblichenen Schriftzug einer bekannten örtlichen Bäckerei gemalt war.
    Sie folgte dem Krankenwagen nun schnellen Schrittes und trat ein. Im Krankenhaus herrschte ein Chaos. Die Notaufnahme war überfüllt mit Verletzten. Sie waren überall - auf dem Boden, in den Korridoren, sogar im Schwesternzimmer. Einige schrien.
    Andere saßen nur da und stierten vor sich hin, zu benommen, um zu begreifen, was ihnen widerfahren war. Die meisten Patienten hatten bislang weder mit einem Arzt noch mit einer Schwester gesprochen. Und jede Minute wurden neue eingeliefert.
    Catherine spürte eine Hand auf ihrer Schulter.
    »Wollen Sie Wurzeln schlagen, Miss Blake?«
    Catherine fuhr herum und blickte in das strenge Gesicht Alice Stewarts. Vor dem Krieg war Alice eine freundliche, mitunter etwas konfuse Frau gewesen, die es gewohnt war, Grippekranke und samstags abends gelegentlich auch einmal das Opfer einer Messerstecherei zu versorgen. Mit dem Krieg hatte sich das geändert. Jetzt stand sie aufrecht da und erteilte mit klarer Kasernenhofstimme ihre Anweisungen, wobei sie nie ein Wort mehr sagte als nötig. Sie leitete mit sicherer Hand eine der am stärksten beanspruchten Unfallstationen in London. Ein Jahr zuvor war ihr Mann im Alter von siebenundzwanzig Jahren bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen. Doch Alice Stewart trauerte nicht - das konnte warten, bis die Deutschen besiegt waren.
    »Nie anmerken lassen, was Sie denken, Miss Blake«, sagte Alice Stewart forsch. »Das macht ihnen nur noch mehr angst.
    Jetzt raus aus dem Mantel und an die Arbeit. Wir haben allein hier mindestens hundertfünfzig Verletzte, und die Leichenschauhäuser füllen sich schnell. Es sollen noch mehr werden.«
    »So schlimm war es seit September 1940 nicht mehr.«

    »Deshalb brauchen wir Sie. Und jetzt an die Arbeit, junge Frau, und zwar schnell, wenn ich bitten darf.«
    Alice Stewart schritt durch die Notaufnahme wie ein Feldherr über das Schlachtfeld. Catherine beobachtete, wie sie eine junge Schwester wegen ihrer nachlässigen Kleidung zur Rede stellte.
    Alice Stewart bevorzugte niemanden - sie war zu allen Schwestern und Freiwilligen gleich streng. Catherine hängte ihren Mantel auf und trat in den Korridor, in dem sich die Verletzten drängten. Sie begann bei einem kleinen Mädchen, das einen angesengten Teddybären umklammert hielt.
    »Wo tut es weh, mein Kleines?«
    »Am Arm.«
    Catherine krempelte dem Mädchen den Ärmel des Pullovers hoch. Es hatte sich offensichtlich den Arm gebrochen. Das Kind stand unter Schock und spürte keine Schmerzen. Catherine sprach mit ihr und versuchte, sie von der Verletzung abzulenken.
    »Wie heißt du, mein Schatz?«
    »Ellen.«
    »Wo wohnst du?«
    »Stepney, aber unser Haus gibt es nicht mehr.« Sie sprach mit ruhiger, unbewegter Stimme.
    »Wo sind deine Eltern? Sind sie hier bei dir?«
    »Der Feuerwehrmann hat gesagt, daß sie jetzt beim lieben Gott sind.«
    Catherine sagte nichts und hielt nur die Hand des Mädchens.
    »Gleich wird der Doktor kommen und nach dir sehen. Bleib hier sitzen und sieh zu, daß du den Arm nicht bewegst. In Ordnung, Ellen?«
    »Ja«, sagte sie. »Du bist sehr schön.«
    Catherine lächelte. »Danke. Und weißt du was?«

    »Was?«
    »Du auch.«
    Catherine ging weiter den Korridor hinunter. Ein alter Mann mit einer Quetschung am Kopf sah auf, als sie seine Wunde untersuchte. »Mir geht es gut, junge Frau. Hier sind eine Menge Leute, die es schlimmer erwischt hat. Kümmern Sie sich erst um die.«
    Sie strich seinen zerwühlten grauen Haarkranz glatt und tat wie ihr geheißen. Diese Haltung war ihr bei den Engländern immer wieder begegnet. Die Wiederaufnahme der Luftangriffe war ein Wahnsinn. Das hätte sie den Leuten in Berlin gern persönlich gesagt.
    Catherine setzte ihre Runde fort, versorgte die Patienten und lauschte bei der Arbeit den Geschichten, die sie erzählten.
    »Ich war in der Küche und wollte mir gerade einen Tee eingießen, da kracht es plötzlich. Eine Zehn-Zentner-Bombe.
    Das Scheißding landet direkt auf der Eingangstreppe. Dann weiß ich nur noch, wie ich auf dem Rücken in den Überresten meines Gartens liege, vor mir der Schutthaufen, der mal mein Haus war. Schöne Scheiße.«
    »Was sind das für Ausdrücke, George. Das gehört sich nicht. Außerdem sind kleine Kinder hier.«
    »Es hätte schlimmer kommen können, Kumpel. Das Haus bei uns gegenüber hat einen Volltreffer abgekriegt.

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