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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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den Folgen eines leichten Herzanfalls und einer Lungenentzündung. Seine Augen waren rot gerändert, seine Wangen aufgedunsen und bleich. Er rang sich für seinen alten Freund ein schwaches Lächeln ab.
    »Hallo, Alfred, wie geht es Ihnen?« fragte Churchill, als der Assistent die Tür schloß.
    »Bestens, aber das sollte ich eher Sie fragen. Schließlich haben Sie einiges durchgemacht, nicht ich.«
    »Ich habe mich nie besser gefühlt«, erwiderte Churchill.
    »Berichten Sie. Was gibt es Neues?«
    »Wir haben zwei Funksprüche aus Hamburg abgefangen. Sie gingen an deutsche Agenten, die auf britischem Boden operieren.« Vicary reichte sie Churchill. »Wie Sie wissen, sind wir bisher davon ausgegangen, daß wir jeden deutschen Agenten in Großbritannien verhaftet, aufgehängt oder umgedreht haben - zweihundertsechzig insgesamt. Das war offensichtlich ein großer Irrtum. Wenn die Agenten irgendwelche Informationen weitergeben, die dem Material widersprechen, das wir der Abwehr durch Double Cross zugespielt haben, werden die Deutschen alles anzweifeln. Außerdem vermuten wir, daß sie einen neuen Agenten ins Land schleusen wollen.«
    »Was tun Sie, um ihn aufzuhalten?«
    Vicary informierte Churchill über die Vorkehrungen, die er bislang getroffen hatte. »Doch leider sind die Aussichten, den deutschen Agenten zu fassen, schlecht. Früher - im Sommer 1940, zum Beispiel, als sie wegen der Invasion Spione herschickten - konnten wir die Neuankömmlinge abfangen, weil die Deutschen den alten, in Großbritannien operierenden Agenten häufig mitteilten, wo, wann und wie die neuen Spione kamen.«
    »Und diese alten Agenten arbeiteten für uns als Doppelagenten?«
    »Oder saßen im Gefängnis, ja. Doch im vorliegenden Fall war die Nachricht an den Agenten sehr vage. Nur ein verschlüsselter Satz: Plan Eins für Empfang ausführen. Vermutlich sagt er dem Agenten alles, was er wissen muß. Uns sagt er leider gar nichts.
    Wir können nur vermuten, wie der Age nt ins Land zu kommen gedenkt. Um ihn zu erwischen, müßten wir schon unverschämtes Glück haben.«
    »Verdammt!« fluchte Churchill und ließ die Hand auf die Stuhllehne fallen. Er stand auf und goß für sie beide einen Brandy ein. Er stierte ins Glas und murmelte etwas vor sich hin, als habe er Vicarys Anwesenheit vergessen.
    »Erinnern Sie sich noch an jenen Nachmittag im Jahr 1940, als ich Sie aufforderte, für den MI5 zu arbeiten?«
    »Natürlich, Herr Premierminister.«
    »Hatte ich damals recht?«
    »Was meinen Sie?«
    »Sie hatten die besten Jahre Ihres Lebens. Sehen Sie sich an, Alfred, Sie sind heute ein völlig anderer Mensch. Mein Gott, ich wünschte, ich würde auch so gut aussehen wie Sie.«
    »Danke, Herr Premierminister.«
    »Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Aber alles war für die Katz, wenn die deutschen Spione herausfinden, was sie wissen wollen. Ist Ihnen das klar, Alfred?«
    Vicary atmete hörbar aus. »Ich weiß, was auf dem Spiel steht, Herr Premierminister.«
    »Ich will, daß sie aufgehalten werden, Alfred. Ich will, daß sie unschädlich gemacht werden.«
    Vicary blinzelte nervös und klopfte unwillkürlich seine Brusttaschen nach der Lesebrille ab. Dem Premierminister war die Zigarre in der Hand ausgegangen. Er zündete sie wieder an und gab sich für einen Moment ganz dem Rauchen hin.
    »Wie verhält sich Boothby?« fragte er.
    Vicary seufzte. »Wie immer, Herr Premierminister.«
    »Unterstützt er Sie?«
    »Er will, daß ich ihn über jeden Schritt auf dem laufenden halte.«
    »Und das schriftlich, wie ich vermute. Boothby legt großen Wert darauf, alles schriftlich zu bekommen. Die Dienststelle dieses Mannes stößt mehr Papier aus als die Times.«

    Vicary gestattete sich ein schwaches Lächeln.
    »Ich habe es Ihnen nie gesagt, Alfred, aber ich hatte doch meine Zweifel, ob Sie es schaffen würden. Ob Sie wirklich das Zeug für die Arbeit im militärischen Geheimdienst haben. Oh, an Ihrem Verstand, Ihrer Intelligenz habe ich nie gezweifelt.
    Aber ich hatte doch Bedenken, ob Sie über die nötige Gerissenheit verfügen, die ein guter Geheimdienstoffizier braucht. Und ob Sie skrupellos genug sein können.«
    Churchills Worte erstaunten Vicary.
    »Was sehen Sie mich so an, Alfred? Sie sind einer der anständigsten Männer, die ich kenne. In Ihrem jetzigen Gewerbe setzen sich gewöhnlich nur Menschen wie Boothby durch.
    Boothby würde seine eigene Mutter einsperren, wenn das seiner Karriere förderlich wäre oder wenn er dem Gegner damit

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