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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Kriminalinspektor befördert worden.
    Nie zuvor in seiner beruflichen Laufbahn hatte Harry einen so frustrierenden Tag erlebt wie heute. Er fahndete nach einem deutschen Agenten, doch er hatte keinen einzigen Hinweis oder Anhaltspunkt. Alles, was er tun konnte, war, örtliche Polizeireviere anzurufen und nach ungewöhnlichen Vorkommnissen zu fragen, nach Straftaten, die ein soeben ins Land gekommener Spion begangen haben könnte. Dabei durfte er ihnen aber nicht sagen, daß er nach einem Spion fahndete, denn das hätte gegen die Sicherheitsvorschriften verstoßen.
    Das Gespräch, das er mit einem Polizeibeamten in Evesham geführt hatte, war typisch:

    »Wie, sagten Sie, war Ihr Name?«
    »Harry Dalton.«
    »Und woher rufen Sie an?«
    »Aus dem Kriegsministerium in London.«
    »Verstehe. Und was wünschen Sie von mir?«
    »Ich möchte wissen, ob bei Ihnen Straftaten zur Anzeige gebracht wurden, die ein Flüchtiger begangen haben könnte.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel ein Auto-oder Fahrraddiebstahl, Diebstahl von Benzin oder Lebensmittelkarten. Strengen Sie Ihre Phantasie an.«
    »Verstehe.«
    »Und?«
    »Uns liegt eine Anzeige wegen eines Fahrraddiebstahls vor.«
    »Wirklich? Wann wurde es gestohlen?«
    »Heute morgen.«
    »Das könnte etwas sein.«
    »Fahrräder sind heutzutage sehr gefragt. Ich selbst hatte eine verrostete Karre im Schuppen. Ich habe sie herausgeholt, ein bißchen geputzt und für zehn Pfund an einen Unteroffizier der Yankees verkauft. Für zehn Pfund! Können Sie sich das vorstellen? Das Ding war keine zehn Schilling wert!«
    »Interessant. Und was ist mit dem gestohlenen Rad?«
    »Warten Sie eine Sekunde - wie, sagten Sie, war Ihr Name?«
    »Harry.«
    »Harry. Warten Sie ein Sekunde, Harry... George, gibt es was Neues über das verschwundene Fahrrad in der Sheep Street? Ja, das... Was soll das heißen, er hat es gefunden? Wo zum Teufel war es denn? Mitten auf der Weide? Wie zum Teufel ist es dorthin gekommen? Er selbst! Herrgott noch mal! Sind Sie noch dran, Harry?« .....

    »Ja, ich bin noch dran.«
    »Tut mir leid, blinder Alarm.«
    »Schon in Ordnung. Danke, daß Sie der Sache nachgegangen sind.«
    »Keine Ursache.«
    »Wenn Sie irgend etwas hören sollten...«
    »Erfahren Sie es als erster, Harry.«
    »Wiederhören.«
    Am Spätnachmittag hatte er ein halbes Dutzend Anrufe von Dorfpolizisten erhalten, einer bizarrer als der andere. Ein Beamter aus Bridgewater berichtete über eine zerbrochene Fensterscheibe.
    »Das könnte was sein«, sagte Harry. »Sieht es nach Einbruch aus?
    »Eigentlich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es sich um das Buntglasfenster in der Kirche handelt.«
    »Gut. Halten Sie weiter die Augen offen.«
    Die Polizei in Skegness berichtete, daß jemand versucht habe, nach der Polizeistunde in einen Pub zu gehen.
    »Könnte was sein«, sagte Harry. »Der Mann, den ich suche, ist möglicherweise nicht mit den englischen Schankbestimmungen vertraut.«
    »Dann werde ich der Sache nachgehen.«
    »Gut, halten Sie mich auf dem laufenden.«
    Zwanzig Minuten später rief er wieder an.
    »Es war nur eine Frau aus dem Ort, die ihren Mann gesucht hat. Völlig betrunken, fürchte ich.«
    »Verflucht.«
    »Tut mir leid, Harry, ich wollte Ihnen keine falschen Hoffnungen machen.«
    »Das haben Sie aber. Trotzdem danke, daß Sie die Sache überprüft haben.«
    Harry blickte auf seine Uhr - vier Uhr, Schichtwechsel in der Registratur.
    Grace trat jetzt ihren Dienst an. Vielleicht, dachte er, kann ich ja doch noch etwas aus dem Tag machen. Er fuhr mit dem Lift hinunter in die Registratur und traf sie dabei an, wie sie gerade einen von Akten überquellenden Metallkarren vor sich herschob. Ihr Lippenstift, ein billiges Kriegsprodukt, war blutrot und erweckte den Eindruck, als habe sie sich für einen Mann aufgedonnert. Sie trug einen grauen Wollpullover und einen schwarzen, etwas zu kurzen Rock. Die dicken Strümpfe konnten der Form ihrer langen, sportlichen Beine nichts anhaben.
    Grace nahm in der Registratur eine Ausnahmestellung ein.
    Vernon Kell, der Gründer des Dienstes, war der Überzeugung gewesen, daß nur Mitglieder des Adels oder Angehörige von MI5-Offizieren mit einer so sensiblen Arbeit betraut werden durften. Die Folge war, daß das Personal der Registratur meist aus recht hübschen Debütantinnen bestand. Grace hingegen kam aus der Mittelschicht und war die Tochter eines Lehrers. Sie lächelte, als sie Harry erblickte. Dann bedeutete sie ihm mit einem kurzen Seitenblick

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