Double Cross. Falsches Spiel
irgendwann mal.«
Sie zögerte, dann sagte sie: »Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit einem verwegenen Amerikaner ausgehen will, der unbedingt ohne Taschenlampe durch die Londoner Straßen tappen muß.
Aber ich denke, man kann Ihnen trauen. Also gut, gehen wir etwas trinken.«
Sie wandte sic h wieder zum Gehen.
»Warten Sie. Kommen Sie zurück. Ich weiß ja nicht einmal, wie Sie heißen.«
»Catherine«, sagte sie. »Catherine Blake.«
»Ich brauche Ihre Telefonnummer«, sagte Jordan hilflos.
Aber sie war bereits in der Dunkelheit verschwunden.
Zu Hause angekommen, ging Peter Jordan in sein Arbeitszimmer, nahm den Telefonhörer ab und wählte. Er sagte seinen Namen, und eine angenehme weibliche Stimme bat ihn, in der Leitung zu bleiben. Einen Augenblick später hörte er den englischen Akzent des Mannes, den er nur unter dem Namen Broome kannte.
24
Kent, England
Alfred Vicary arbeitete bis zur Erschöpfung. Obwohl er unter so enormem Druck stand, die Spione zu fassen, betreute er auch weiterhin seine alten Fälle, und dazu gehörte vor allem das Becker-Netz. Er hatte erwogen, das Becker-Netz abzugeben, bis die Spione verhaftet waren, den Gedanken jedoch schnell wieder verworfen. Er war der geistige Vater des Becker-Netzes, es war sein Meisterstück. Es hatte ihn unzählige Stunden gekostet, das Netz zu knüpfen und es am Leben zu erhalten. Er mußte sich weiter darum kümmern und gleichzeitig versuchen, der Spione habhaft zu werden.
Es war eine strapaziöse Angelegenheit. Sein rechtes Auge begann zu zucken, wie seinerzeit bei den Abschlußprüfungen in Cambridge. Er kannte diese ersten Anzeichen nervlicher Erschöpfung.
Rebhuhn war der Deckname eines skrupellosen LKW-Fahrers, der auf seinen Routen immer wieder durch militärische Sperrbezirke in Suffolk, Kent und Ost-Sussex kam. Er war ein Anhänger des britischen Faschisten Oswald Mosley und trug das Geld, das er mit Spionieren verdiente, zu Huren. Manchmal nahm er die Mädchen mit auf seine Tour, so daß sie ihm unterwegs zu Diensten sein konnten. Er mochte Karl Becker, denn Becker hatte immer ein junges Mädchen bei sich versteckt und teilte stets bereitwillig - selbst mit Leuten wie Rebhuhn.
Rebhuhn existierte freilich nur in Vicarys Phantasie, im Äther und in den Köpfen seiner deutschen Führungsoffiziere in Hamburg. Aufklärungsflugzeuge der deutschen Luftwaffe hatten im englischen Südosten neue Aktivitäten des Feindes ausgemacht, und Berlin hatte Becker beauftragt, der Sache nachzugehen und innerhalb einer Woche Bericht zu erstatten.
Becker hatte den Auftrag an Rebhuhn weitergegeben, genauer gesagt, Vicary hatte es für ihn getan. Das war die Gelegenheit, auf die Vicary gewartet hatte: eine Aufforderung der Abwehr, falsche Informationen über die First United States Army Group zu übermitteln, die zum Schein im Südosten Englands zusammengezogen wurde.
Rebhuhn war - nach dem von Vicary erdachten Szenario - am Mittag durch Kent gefahren. Tatsächlich hatte Vicary dieselbe Fahrt am Morgen in einem Dienst-Humber unternommen. Auf dem ledernen Rücksitz in eine Decke gewickelt, hatte Vicary sich vorgestellt, welche Anzeichen einer Truppenmassierung ein Mann wie Rebhuhn bemerken könnte. Beispielsweise könnte ihm auffallen, daß mehr Militärlaster als sonst auf den Straßen unterwegs waren. Er könnte in einem Pub eine Gruppe amerikanischer Offiziere entdecken, die dort zu Mittag aßen. An einer Tankstelle könnte er Gerüchte über den bevorstehenden Ausbau einer Straße in der Gegend aufschnappen. Dies alles war banal und lieferte nur kleine Hinweise, aber es paßte zu Rebhuhns Tarnung. Vicary konnte ihn nicht General Pattons Hauptquartier entdecken lassen, denn seine Führungsoffiziere bei der Abwehr würden niemals glauben, daß ein Agent wie Rebhuhn dazu in der Lage wäre. Doch Rebhuhns Hinweise deckten sich mit den übrigen Falschinformationen und fügten sich in das Bild, das der britische Geheimdienst den Deutschen vorgaukeln wollte - daß nämlich eine gewaltige Armee der Alliierten darauf wartete, jenseits des Ärmelkanals bei Calais anzugreifen.
Auf der Rückfahrt nach London setzte Vicary Rebhuhns Bericht auf. Karl Becker würde ihn, nachdem er mit eine m Abwehr-Code verschlüsselt worden war, am späten Abend aus dem Gefängnis nach Hamburg übermitteln. Vicary stand eine weitere Nacht bevor, in der er, wenn überhaupt, nur wenig Ruhe finden würde. Als er den Bericht beendet hatte, rollte er seinen Regenmantel zu einem Kissen
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