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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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zusammen, lehnte den Kopf ans Fenster und schloß die Augen. Das Schaukeln des Humbers und das leise Brummen des Motors wiegten ihn in einen leichten, unruhigen Schlaf. Er träumte wieder von Frankreich, nur daß diesmal nicht Brendan Evans, sondern Boothby zu ihm ins Lazarett kam. Tausend Männer sind tot, Alfred, und alles ist Ihre Schuld! Wenn Sie die Spione gefaßt hätten, wären sie noch am Leben! Vicary zwang sich, die Augen zu öffnen, und erhaschte einen Blick von der vorüberziehenden Landschaft, bevor er wieder in Schlaf sank.
    Diesmal liegt er an einem schönen Frühlingsmorgen im Bett.
    Es ist der Morgen vor fünfundzwanzig Jahren, an dem er Helen zum ersten Mal liebt. Er verbringt das Wochenende auf dem Anwesen von Helens Vater. Durch das Fenster seines Schlafzimmers sieht er, wie die Morgensonne die Hügel mit einem rosa Licht übergießt. Es ist der Tag, an dem sie Helens Vater von ihren Heiratsplänen erzählen wollen. Er hört ein sanftes Klopfen an der Tür, und als er den Kopf wendet, sieht er Helen ins Zimmer schlüpfen, schön und nur mit einem weißen Nachthemd bekleidet. Sie steigt zu ihm ins Bett und küßt ihn auf den Mund. Ich habe den ganzen Morgen an dich gedacht, Alfred, Liebster. Sie faßt unter die Decke, bindet seine Pyjamahose auf und berührt ihn leicht mit ihren langen, schönen Fingern. Helen, ich dachte, du wolltest warten, bis wir... Sie bringt ihn mit einem Kuß zum Schweigen. Ich will nicht mehr darüber reden. Wir müssen uns aber beeilen. Wenn Daddy mich hier findet, bringt er uns um. Sie setzt sich rittlings auf ihn, vorsichtig, damit sie nicht an sein Knie stößt. Sie hebt ihr Nachthemd und führt ihn mit der Hand. Er spürt einen Widerstand. Helen drückt fester, stöhnt kurz vor Schmerz, dann ist er in ihr. Sie zieht seine Hände an ihre Brüste. Er hat sie früher schon berührt, jedoch nur durch ihre Kleider und ihre steife Unterwäsche. Jetzt ist nur das Nachthemd dazwischen, und sie fühlen sich weich und wundervoll an. Er versucht, ihr Nachthemd aufzuknöpfen, doch sie läßt ihn nicht. Schnell,  Darling, schnell. Hinterher will er, daß sie bleibt. Er will sie in den Armen halten, es immer wieder tun, doch sie streift sich das Nachthemd glatt, küßt ihn noch einmal und huscht dann aus dem Zimmer.
    Vicary erwachte in den östlichen Londoner Vororten, ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht. Er hatte das erste Mal mit Helen nicht als enttäuschend empfunden - es war einfach nur anders, als er erwartet hatte. In seinen jugendlichen Phantasien hatte er sich immer Frauen mit riesigen Brüsten vorgestellt, die vor Ekstase schrien. Aber Helen hatte es langsam und sanft getan, und statt zu schreien, hatte sie gelächelt und ihn zärtlich geküßt. Es war nicht leidenschaftlich, aber es war perfekt. Und es war perfekt, weil er unsterblich in sie verliebt war.
    Das war es auch mit Alice Simpson, aber aus anderen Gründen. Vicary mochte sie, und manchmal dachte er sogar, er sei in sie verliebt, was immer das auch bedeuten mochte. Er genoß ihre Gesellschaft mehr als alles andere. Sie war intelligent, geistreich und, wie Helen, etwas respektlos. Sie unterrichtete Literatur an einer Mädchenschule und verfaßte mittelmäßige Theaterstücke über Leute, die in einem elegant eingerichteten Salon unentwegt Sherry oder Earl Grey schlürften. Daneben schrieb sie unter einem Pseudonym Liebesromane, die Vicary, wenngleich kein Freund dieses Genres, für ziemlich gut hielt. Einmal ertappte ihn Lillian Walford, seine Sekretärin an der Universität, dabei, wie er in einem Buch von Alice Simpson las. Am nächsten Tag brachte sie ihm einen Stapel Romane von Barbara Cartland. Vicary wäre am liebsten im Boden versunken. Wenn die Figuren in Alices Romanen sich liebten, hörten sie Wellen rauschen und fühlten den Regen auf sich niederprasseln. Im wirklichen Leben war sie schüchtern und zärtlich und bestand immer darauf, daß sie sich im Dunkeln liebten. Mehr als einmal schloß Vicary die Augen und sah Helen in ihrem weißen Nachthemd, in das Licht der Morgensonne getaucht.

    Das Verhältnis mit Alice Simpson war im Krieg eingeschlafen. Doch sie sprachen noch mindestens einmal in der Woche miteinander. Sie hatte schon früh bei einem Fliegerangriff ihre Wohnung verloren und wohnte eine Zeitlang in Vicarys Haus in Chelsea. Gelegentlich aßen sie gemeinsam zu Abend, aber es lag Monate zurück, daß sie miteinander geschlafen hatten. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß er zum ersten Mal

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