Double Cross. Falsches Spiel
ganz gesund aus. Warum waren sie nicht in der Armee? Sie bemerkte, daß die beiden verstohlene Blicke um sich warfen, als wollten sie sich vergewissern, daß sie nicht beobachtet wurden. Plötzlich wünschte sie, Leonard wäre hier.
Ihre Art zu klopfen war alles andere als höflich. Sie stellte sich vor, daß Polizisten so an eine Tür klopften, wenn sie dahinter einen Verbrecher vermuteten. Wieder klopfte es, und diesmal so laut, daß die Fensterscheibe klirrte.
Oben, wo die beiden Mieter Dame spielten, wurde es still.
Sie ging zur Tür. Sie sagte sich, daß kein Grund zur Beunruhigung bestehe - die beiden ließen nur die gewohnten guten Manieren englischer Handwerker vermissen. Es war Krieg. Die tüchtigen Handwerker dienten in der Armee, reparierten Bomber oder Fregatten. Nur die schlechten, wie die beiden an der Tür, hatten eine Stelle zu Hause.
Langsam öffnete Eunice die Tür. Sie wollte die beiden bitten, möglichst leise zu sein, um die Mädchen nicht zu wecken. Doch sie kam nicht dazu. Der große, der ohne Hals, drückte mit dem Unterarm die Tür auf und preßte ihr die Hand auf den Mund.
Eunice wollte schreien, doch der Schrei erstarb mit einem kaum hörbaren Laut in ihrer Kehle.
Der kleinere legte ihr den Mund ans Ohr und sagte mit einer Gelassenheit, die sie nur noch mehr erschreckte: »Tu, was wir dir sagen, Muttchen, dann wird dir niemand ein Haar krümmen.«
Dann huschte er an ihr vorbei und sprang die Treppe hinauf.
Meadows war über die Pope-Bande einigermaßen im Bilde.
Er wußte, mit welchen legalen und illegalen Geschäften sie ihr Geld verdiente, und er kannte die Namen und Gesichter der meisten Bandenmitglieder. So kam es, daß er, als er die Beschreibung der beiden Männer hörte, die gewaltsam in eine Pension in Islington eingedrungen waren, am Schauplatz des Mordes seine Sachen zusammenpackte und nach Islington fuhr, um sich selbst vor Ort zu informieren. Die Beschreibung des ersten Täters paßte auf Richard ›Dicky‹ Dobbs, Popes Gorilla und Geldeintreiber, die andere auf Robert Pope selbst.
Meadows ging, wie es seine Gewohnheit war, auf und ab, während Eunice Wright kerzengerade auf einem Stuhl saß und geduldig die Geschichte wiederholte, die sie bereits zweimal erzählt hatte. Statt der Tasse Tee hielt sie jetzt ein kleines Glas Sherry in der Hand. Die Hand des Angreifers hatte in ihrem Gesicht rote Druckstellen hinterlassen, und beim Sturz auf den Boden hatte sie sich den Kopf angeschlagen, doch sonst fehlte ihr nichts.
»Und er hat Ihnen nicht gesagt, wen oder was er gesucht hat, Mrs. Wright?« fragte Meadows, wobei er seine Wanderung durch das Zimmer nur unterbrach, um die Frage zu stellen.
»Nein.«
»Haben sie sich mit ihren Namen angeredet?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Haben Sie zufällig das Kennzeichen des Lieferwagens gesehen?«
»Nein, aber ich habe einem Beamten den Wagen beschrieben.«
»Ich furchte, das wird uns nicht viel nützen. Das Modell ist sehr verbreitet. Einer meiner Männer wird die Nachbarn befragen.«
»Tut mir leid«, sagte sie und rieb sich den Hinterkopf.
»Sind Sie in Ordnung?«
»Ich habe mir wegen dieses Grobians böse den Kopf angeschlagen.«
»Sie sollten zum Arzt gehen. Einer der Beamten kann Sie hinfahren, wenn wir hier fertig sind.«
»Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen.«
Meadows hob seinen Regenmantel auf und zog ihn an.
»Haben sie sonst noch etwas gesagt, woran Sie sich erinnern können?«
»Ja, das haben sie.« Eunice Wright zögerte einen Moment und errötete. »Ich furchte, die Ausdrücke waren nicht ganz stubenrein.«
»Ich versichere Ihnen, daß ich keinen Anstoß nehmen werde.«
»Der Kleinere sagte, ›wenn ich diese...‹« Sie hielt inne, senkte die Stimme und sprach verlegen weiter. »›Wenn ich diese verfluchte Hure finde, bringe ich sie eigenhändig um.‹«
Meadows runzelte die Stirn. »Sind Sie sicher?«
»Oh ja, wenn einem solche Ausdrücke selten zu Ohren kommen, vergißt man sie nicht so schnell wieder.«
»Da haben Sie recht.« Er gab ihr seine Karte. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, zögern Sie nicht, mich anzurufen. Auf Wiedersehen, Mrs. Wright.«
»Auf Wiedersehen, Inspektor.«
Meadows setzte seinen Hut auf und ging zur Tür. So, sie suchten also nach einer Frau. Vielleicht waren es gar nicht die Popes gewesen. Vielleicht waren es nur zwei Kerle, die hinter einem Mädchen her waren. Vielleicht war die Ähnlichkeit nur ein Zufall. Doch Meadows glaubte nicht an Zufälle. Er
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