Down Under - Reise durch Australien
Fünf-Kilo-Beutel entdeckt haben, machst einem Querulanten einen zu guten Preis, nur um ihn loszuwerden, schlägst und schüttelst ständig Spinnen und Ohrenkneifer von den Armen, die dich empört bespringen und bekrabbeln, weil du in ihre Kirschen greifst, und abends weißt du nicht mehr, wie du heißt. Ach nein, das kommt erst, nachdem du noch die Abrechnung gemacht hast und dir einfällt, dass du heute bis auf ein paar Kirschen noch nichts gegessen hast.
Das ist ein normaler Arbeitstag auf der Torrens Valley Orchard Cherry Farm, owned by Tony Hannaford .
Die Tage hatten für uns durchaus vierzehn Stunden Arbeit parat. Man kann auf einer Farm auch mit sechs bis acht Stunden Arbeit auskommen. Aber wer das wirklich ernst nimmt und sich den Australiern gleichstellen will, der muss so hart arbeiten wie sie. Wir haben auch samstags, sonntags und sogar Weihnachten gearbeitet. Freizeit beschränkte sich auf manche Abende oder mal einen Tag. Aber all diese Schinderei macht dennoch viel Spaß, weil nette Leute um dich herum sind, weil es einfach schön ist zu sehen, wie der Laden mit dir läuft und es ständig etwas zu lachen gibt. Und nichts ist schöner, als wenn ein Farmer wie Tony dir abends die Hand auf die Schulter legt und sagt: »I’m proud of you, girl!«
Das Weihnachtsfest in Australien zu feiern, ist für Europäer sehr gewöhnungsbedürftig. All das, was man für gewöhnlich in den Tagen vor Weihnachten macht, nämlich in mollig warme Klamotten gehüllt über den Weihnachtsmarkt bummeln, Glühwein schlürfen und auf weiße Weihnacht hoffen, erscheint einem schlichtweg wie ein Traum aus einer anderen Welt. Für den Weihnachtstag in Gumeracha waren 43 Grad angesagt, die das Thermometer dann auch anzeigte. Eine trockene Hitze lag über Adelaide. Das seltsame Gefühl verstärkt sich noch, wenn man in einer australischen Stadt einen Weihnachtsbummel macht, denn auch das kann man natürlich. Auch hier herrscht die übliche Glitzerwelt, überall schallen einem Weihnachtslieder entgegen, und als Weihnachtsmänner verkleidete Studenten schwitzen sich zu Tode, während man gemütlich in Shorts die Geschäfte abklappert. Wenn es dann endlich dunkel wird, leuchten auch in Australien unzählige Lichtergirlanden und blinkende Sternchen von den Häusern und in den Schaufenstern. Tony nahm uns eines Abends mit, um uns die am schönsten geschmückten Häuser zu zeigen, die am alljährlichen Wettbewerb um das Weihnachtshaus des Jahres teilnahmen. Das kommt einem schon ein wenig amerikanisch vor, wenn auf den Dächern der Häuser in den suburbs gigantische beleuchtete und animierte Schlitten und Nikoläuse herunterblinken. Und das alles schlägt einem entgegen, wenn man gerade vom Strand kommt und sich einen deftigen Sonnenbrand eingefangen hat. Es passte für uns einfach nicht zu Weihnachten, und ich fürchte, daran werde ich mich wohl nie ganz gewöhnen.
Das eigentliche Weihnachtsfest wird in Australien wie überall in der angelsächsischen Welt am fünfundzwanzigsten Dezember gefeiert. Dass an diesem Tag auch die Farmarbeit ruht, wurmte Tony sichtlich, denn der Kirschenverkauf gehört in Südaustralien zu Weihnachten wie für uns der Gänsebraten. Jeder Haushalt versucht, sich mit Kirschen einzudecken, die als traditionelle Nascherei gelten und auch als diverses Beiwerk in Kuchen oder im Festtagsbraten verarbeitet werden.
Am Weihnachtstag bereiteten wir morgens das Essen vor. Dazu stopften wir Hühner mit – na, womit wohl? Jawohl: Kirschen!, aus, die mit Brot vermengt werden. Dann machten wir Salat, und als Nachtisch einen English Pudding , der bei Nicht-Engländern und bei nicht von Engländern abstammenden oder an deren Speisen gewöhnten Menschen einen Fluchtinstinkt auslöst, so abartig schmeckt er. Aber egal, Tradition muss sein. Tony verdonnerte jeden dazu, eine Weihnachtszipfelmütze zu tragen, damit wir auch wirklich wussten, was für ein Tag heute war. Die Mützen brachten zwar bei über 40 Grad unsere Köpfe zum Qualmen, aber dafür hatten wir einen Heidenspaß mit den Dingern.
Alles schien unwirklich. Obwohl wir uns bei Tony und in diesem Land so unglaublich wohlfühlten, stellte sich einfach kein rechtes Weihnachtsgefühl ein. Wir waren eine aus aller Herren Länder zusammengewürfelte Truppe. Jeder musste diesen Tag ohne seine Familie verbringen, und selbst Tony war allein, denn er ist geschieden, und seine Tochter feierte bei ihrer Mutter. Wir rückten wie eine große Ersatzfamilie zusammen und
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