Down Under - Reise durch Australien
dosiert habt, lauft ja nicht weg. Wenn das gute Stück anfängt zu spinnen, geht hier gar nichts mehr.«
Ich warf einen verstohlenen Blick in die Weite der Halle zu den Dutzenden von Leuten, die an den Bändern standen und die gewaschenen Kirschen sortierten. Wenn das hier alles stillstand, konnte ich mir einen ziemlich wütenden Tony vorstellen.
»Wenn die Kirschen hier rauskommen, werden sie noch einmal in kaltem Wasser gewaschen, und dann fallen sie auf die Bänder. Wir haben neun Bänder, an denen je zehn Leute die Früchte sortieren und verpacken. Wir verpacken sie in Zehn-Kilo-Kisten, und danach werden sie bis zur Auslieferung in den coolrooms gelagert. Die zeige ich euch zum Schluss. Was wir nicht ausliefern, kommt in den Shed Door Sale .«
Tony sah mein fragendes Gesicht.
»Na, der Schuppen draußen. Dort läuft der Tagesverkauf an Leute, die mit ihren Autos herkommen und sich mit Kirschen eindecken. Viele wollen zweite Wahl, weil sie nicht so viel ausgeben wollen. Diese Kirschen nennen wir die seconds . Beim Shed Door Sale müsst ihr besonders aufpassen. Manchmal kommt eine ganze Horde Leute rein und rennt durcheinander. Lasst sie niemals hinter den Verkaufsbereich, denn die Geldkassette ist schnell verschwunden.«
Mir schwirrte der Kopf von all den Aufgaben, die uns da bevorstanden, und Tony raste förmlich mit uns durch die ganzen Abteilungen, sodass keine Zeit blieb, alles in Ruhe aufzunehmen. Zum Schluss sagte er nur noch: »Okay, das war’s. Dann fangt mal an. Wenn ihr Fragen habt, wendet euch an James. Der kennt sich mit allem aus.«
Perplex sahen wir zu, wie er sich umdrehte und in seinem Büro verschwand. Also fingen wir an.
Gott sei Dank war James, der schon lange auf Tonys Farm arbeitete, eine wertvolle Hilfe, um das ganze Chaos zu regieren. Und wir sollten sehr schnell herausfinden, dass tagtäglich das blanke Chaos herrschte.
Als die Kirschsaison so richtig begann, ging alles drunter und drüber. Lieferwagen nach Lieferwagen rollte auf den Hof, und allein die Mengen von angelieferten Kirschen zusätzlich zu denen von Tonys eigener Farm ließen uns manchmal wahnsinnig werden. Ein Gabelstapler voller Kisten machte ungefähr achtundvierzig mal zehn Kilo Kirschen. Meist kamen die Fahrer, die Lieferungen von den Nachbarfarmen brachten, zu den unmöglichsten Zeiten, und wir mussten die Ladungen in der größten Mittagshitze möglichst schnell umschlagen. Eines von Murphys Gesetzen besagt, dass, wenn du gerade eine große Lieferung Kirschen kriegst, garantiert die Maschine den Geist aufgibt. Ein zweites besagt, dass automatisch Gesetz Nummer eins in Kraft tritt, wenn es ein heißer australischer Tag wird. Im Dezember ist jeder australische Tag ein heißer Tag.
Die Lieferungen kommen. Du nimmst sie an. Wie viel wiegen sie? Von welcher Farm kommen sie? Welche Sorte? Wie viel Geld kriegt der Lieferant? Wann wird die Maschine frei? In dem Moment, wo du das denkst, ertönt ein Schrei aus der Halle. Du drehst dich um und siehst, wie schöne große Schaumblasen aus der Maschine quellen und sich auf den Boden ergießen. Irgendjemand hat falsch dosiert, und du bist verantwortlich. Du rennst in die Halle, während sich die Kirschen draußen auf satte fünfundvierzig Grad erhitzen, stoppst die Maschine, neunzig Leute an den Bändern lehnen sich zurück und rauchen eine, während du versuchst, das Ding wieder in die Gänge zu kriegen, und in dem Moment kommt Tony um die Ecke, flucht wie ein Rohrspatz und staucht dich zusammen. Dann läuft das Ding wieder, Tony grummelt noch ein wenig, verzieht sich aber, und du entspannst für eine Sekunde. Im nächsten Moment hörst du einen weiteren Schrei, dann einen dumpfen Aufprall. Was ist passiert? Staplerfahrer Mike ist die ganze Ladung von vierhundertundachtzig Kilo Kirschen vom Stapler gekippt! Da du weißt, dass Tony in zehn Minuten wiederkommt, rennst du mit allen Leuten, die gerade eine Hand frei haben, auf den Hof, schippst die Ausschussware wie der Teufel in irgendwelche alten Kisten, karrst sie in eine Ecke der Farm, die Tony nie betritt, und siehst zu, dass die Papiere trotzdem stimmen.
Am Nachmittag machst du Shed Door Sale , rotierst um ein Dutzend Kunden, die mit ihren Händen in alle Kirschen grapschen, um zu probieren und dann doch sagen: »Zu teuer, gib mir seconds «, verscheuchst freche Leute, die auf einmal hinter dem Verkaufstresen rumwuseln und der Kasse gefährlich nahe kommen, bist nett zu Meckerköppen, die eine faule Kirsche in ihrem
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