Down
ihr der Sprung gelang. Keuchend vor Anstrengung holte sie Schwung und streckte in der Luft beide Arme aus. Sie bekam den Ast mit den Fingerspitzen zu fassen. Ihr Körper schwang nach vorn, doch sie konnte sich nicht halten, und nach einem schrecklichen Augenblick der Schwerelosigkeit krachte sie zurück auf den Boden.
Während sie in der Hocke abfederte, warf sie einen Blick zu Conner. Er hatte auf ihr kleines Malheur überhaupt nicht reagiert. Wahrscheinlich schlief er.
Sie verbrachte noch einen Moment damit, ihr Ziel anzuvisieren, eine bessere Vorstellung von Winkel und Höhe zu bekommen, und gönnte ihren Beinen ein wenig Erholung. Sie brannten, jeder einzelne Muskel wirkte überreizt. Wenn sie nicht bald sprang, schaffte sie es überhaupt nicht mehr.
»Okay, auf geht’s.« Eine tiefe Kniebeuge und dann hüpfte sie so hoch, wie ihre geplagten Gelenke es zuließen. Sie streckte die Arme aus, ihre Augen folgten ihren Händen und dann schlossen sich ihre Finger ein zweites Mal um den Ast. Wieder schwang ihr Körper nach vorn, doch diesmal verlor sie nicht den Halt. Ihre Hände fungierten als Krallen, die sich im Holz verhakten. Einen Augenblick später hievte sie sich hinauf.
Ihre Arme, Schultern und Rippen brannten, als ob Flammen unter ihrer Haut züngelten und alles zerstörten, was sich ihnen in den Weg stellte. Sie zischte durch ihre gefletschten Zähne und kniff die Augen zusammen, um den Schweiß abzuwehren, der ihr übers Gesicht lief. Bald hockte sie rittlings auf dem Ast, den Rücken gegen den Stamm gelehnt, und sog gierig die Luft in ihre schmerzenden Lungen.
»Ich bin die Königin der Welt«, flüsterte sie zwischen zwei keuchenden Atemzügen. »Ist das nicht herrlich?« Sie lachte leise in sich hinein. Es tat höllisch weh, aber das war ihr in diesem Augenblick egal. Sie hatte es geschafft!
»Schau mich an, Conner! Ich bin die Königin der ganzen Welt!« Der Gitarrist gab keine Antwort. Ein träges Wackeln mit den Fingern war die einzige erkennbare Reaktion. Dani warf den Kopf in den Nacken und gönnte sich einen hysterischen Lachflash. Verdammt, sie hatte etwas Wichtiges erreicht. Selbst wenn sonst nichts dabei herauskam, konnte sie zumindest von sich behaupten, mit einem Riesensatz auf einen Baum gesprungen zu sein. Spider-Man konnte einpacken.
Als sie sich so weit erholt und das Brennen in ihrem Körper einem dumpfen Ziehen Platz gemacht hatte, inspizierte sie die nähere Umgebung. Dank früherer Erfahrungen mit den Kiefern, die unweit ihres Elternhauses wuchsen, wusste sie, dass man diese immergrünen Bäume wie eine Wendeltreppe besteigen konnte, wenn man sich Zeit ließ und vorher in Ruhe einen Weg zurechtlegte. Das einzige Problem bestand darin, dass sie ein ganzes Stück kleiner gewesen war, als sie das letzte Mal einen Baum bestiegen hatte. Räume, die Kindern weit offen erschienen, kamen für Erwachsene einem klaustrophobischen Albtraum gleich. Diese Kiefer – zu gerne hätte sie gewusst, um was für eine Unterart es sich handelte – schien jedoch breit genug gewachsen zu sein, dass sich dieses Problem nicht stellte.
»Wird schon schiefgehen.« Sie holte tief Luft, klammerte sich an den Ast unter ihr, holte Schwung und zog die Beine an. Nach ein paar bangen Momenten, in denen sowohl Kraft als auch Gleichgewicht sie kläglich im Stich zu lassen drohten, schaffte sie es, sich aufrecht hinzustellen. Dabei umarmte sie den Baumstamm regelrecht. Der Boden befand sich unvorstellbar tief unter ihr. Sie versuchte, den Blick in diese Richtung zu vermeiden, scheiterte jedoch. Conners Körper schien unendlich weit entfernt zu sein. Ihn auf den Kiefernnadeln liegen zu sehen, führte dazu, dass die Landschaft um sie herum zu einer spontanen Karussellfahrt ansetzte. Sie drückte das Gesicht an die Baumrinde, atmete schwer und stoßweise.
»Okay«, flüsterte sie den Baum an. »Also noch mal. Irgendwann klappt das schon.«
Der nächstgelegene Ast befand sich knapp einen Meter höher und gut 50 Zentimeter weit zu ihrer Rechten. Sie packte ihn ganz fest, erst mit einer Hand, dann nahm sie die andere zur Hilfe, und stemmte sich mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, hinauf. Nach einer nervösen Hängepartie, die ihr das Gefühl gab, die Welt sei unter ihr weggestürzt, erreichte sie ihr Ziel und schaffte es nach einigen Sekunden, ihren Körper sicher auszubalancieren. Der nächste Aufstieg fiel ihr schon deutlich leichter und als sie den vierten und schließlich fünften Ast erreicht hatte, war
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