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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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Passierscheine.

    Der nächste Morgen. Regenzeit und Smogalarm, gelbgiftige Nebelschwaden in den Straßen. Ersatzkaffee gegen meinen dicken Kopf, guter Versuch, Donovan. Da ist eine Nachricht auf der internen Leitung auf SCom gespeichert – DelMonico?
    »Komm sofort zum Übergang, die Gover will uns sehen.«
    »Uptown-Übergang?«, murmle ich, immer noch verschlafen. »Haben wir denn keine Ausgangssperre?«
    »Die gilt nicht für die CF. Pech gehabt, Partner«, grinst sie vom Display, sieht aus, als wär sie gerade in der Zentrale. »Schnapp dir die Maske und beeil dich.«
    Fünf Kredits für ’ne Fahrradrikscha. Auch ’ne Art, vorwärts zu kommen, auch ’ne Art zu überleben in DWNTN. Der Fahrer, mit Schutzcape und Filtermaske, tritt mürrisch quietschende Pedale. Ich kann nicht mal erkennen, ob er jung ist oder alt, oder ein Killer, den die Uptown-Freaks auf mich angesetzt haben. Verdammt, werd ich jetzt auch noch paranoid oder hab ich einfach Vorahnungen? Heute ist alles möglich.
    Del wartet schon auf mich. Geht ungeduldig an der Sperre auf und ab. Von weitem sieht sie aus wie jemand, den man auf der Straße trifft, wie ein Bekannter, an dem man vorübergeht, weil man ihn nicht erkennt. Es ist nicht die Maske, die sie verändert, es ist etwas nicht Greifbares. So wie alles nicht greifbar ist an diesem Fall, flüchtig wie Sternenstaub. Wirklich, ein treffender Name.
    »Wird auch Zeit«, fährt sie mich an, kaum dass die Rikscha im gelben Nebel verschwunden ist.
    »Weiß Fraser, dass du so dringend nach Uptown musst?«, konter ich.
    »Verdammt, Donovan, keine Diskussionen jetzt.« Ihre Stimme klingt dumpf durch den Filter, nur der Zorn ist messerscharf.
    »Wohin gehen wir?« Ich fass nach ihrem Arm, halt sie zurück. Sie soll nicht glauben, dass ich alles mit mir machen lasse. Ich bin die Anfängerin, aber ich bin nicht sanft. »Antworte mir, Del. Ich bin’s, deine Partnerin.«
    »’tschuldige.« Sie klingt zerknirscht. »Bin etwas im Druck seit dieser Sache.«
    Wirklich komisch, ausgerechnet DelMonico zeigt Nerven. Glaubt sie etwa, ich kauf die Nummer? Sie sieht müde aus, Augen rot, als hätte sie die ganze Nacht auf ihren Screen gestarrt. Was hat sie rausgefunden, was treibt sie an diesem miesen Morgen in die Uptown? Wohl mehr als ein kleines Gespräch mit dieser Cinthi Gover.
    Sie zieht mich an einen Kaffeestand, beobachtet die Vorbeigehenden. Die Straßen sind fast leer, nur eine Patrouille der Bürgerwehr. Sie geht zu einer Telefonbox, drückt eine Nummer. Ich kann nicht sehen, welche. Sie dreht mir den Rücken zu. Warum benützt sie nicht ihr SCom? Sie spricht – es können nicht mehr als ein, zwei Sätze gewesen sein – und kommt zu mir rüber. Ich puste über meinen E-Caff und sehe sie abwartend an.
    »Wir müssen runter nach Hillside. Sehen wir zu, dass wir den Zubringer noch kriegen.«
    Hillside, das ist Industriegebiet. Hillside, das ist immerhin eine Antwort. Doch warum erst nach Uptown? Zubringer gibt es auch bei uns. Ich spar’s mir, Del danach zu fragen. Sie gibt sich reichlich mysteriös an diesem Morgen, da will ich ihr den Spaß nicht verderben. Wäre da nicht mein Verdacht, dass sie eben in der Box was eingesteckt hat. Unauffällig werf ich ihr einen prüfenden Blick zu. Was hat sie zu verbergen?

    … we are stardust, we are golden.
    Caught in the devil’s bargain.
    And we got to get ourselves back to the garden …

    – Woodstock – Joni Mitchell – 1969

    Hillside, das ist wie ein Trip in die Hölle an einem Sommertag. Suchte einer das Gegenstück zur Uptown – komm nach Hillside, Schwester, ich zeig dir was, ich zeig dir Armageddon.
    Industriepark, ein Wort, um dich in Sicherheit zu wiegen, von smarten Bossen erdacht. Gibt dir die Illusion von grünen Bäumen, Gras und Kinderspielplätzen, klingt so viel besser als Dioxin und Mutagene. Umweltverschmutzung, auch so ein Wort. Wer denkt da schon an verseuchtes Grundwasser, Krebstote, kontaminierten Schlamm? Wozu gibt es denn all die super-fleckenlösenden Waschmittel, kein Problem. Die hatten es wirklich drauf vor hundert Jahren, die Leute zu belügen, war ’ne gute Schule damals für die Bürgermeister Warrings. Industriepark, das ist jetzt Sperrbezirk, aus den Augen, vergessen, weißer Fleck, unbekanntes Gebiet. Was bleibt sind Filtermasken und Schutzcapes, Smogalarm und Trinkwasserrationierung.
    Wir laufen schon über eine Stunde durch die Ruinen eines stillgelegten Chemiekomplexes, durch das Gift von Generationen, vorbei an

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