Downtown Blues
durchrostenden Fässern, vorbei an Fabrikhallen, Silos, der Werkskantine. Was läuft hier ab? Del schweigt verbissen. Es ist diesig, der Ort schwitzt Verfall, Verlassenheit und Weltuntergang aus jeder verfaulenden Bodenverwerfung. Gasige, stinkende Nebel steigen aus kotzgelben Pfützen auf. Lumpenbündel liegen neben alten Müllcontainern, Lumpenbündel, die atmen und sprechen.
»Ich dachte, ihr kommt nie mehr.« Ein tränen-und dreckverschmiertes Gesicht, Cinthi Gover, die schöne, elegante Uptownerin. »Ich glaube, ihr kennt meine Schwester Shirette noch nicht –«
Eine säbernde und lallende Gestalt in schmutzigem, zerrissenem Ginzo-Veldo-Kostüm wiegt sich zu einem unhörbaren Rhythmus. Blicklose Augen, die in ein anderes, unfassbares Universum sehen.
»Was ist passiert?«
Ich versuche das Bild vor mir in einen Rahmen einzupassen. Es will mir nicht gelingen. Del schweigt, sie scheint nicht überrascht zu sein, sieht von Cinthi zu dem Bündel und wieder zu Cinthi.
»Ich weiß es nicht.« Cinthis Stimme klingt emotionslos, sie steht unter Schock. »Ich bekam einen Anruf, mitten in der Nacht, der Monitor war abgeschaltet. Er sagte, Shirette sei in Schwierigkeiten, sagte, sie wollten sie loswerden, für immer. Er wollte nichts damit zu tun haben, nicht mit Mord. Dann sagte er mir, wo ich sie finden würde. Hier.«
»Er?«, fragt Del, Härte in der Stimme. »Sie?«
»Diese Stardust-Leute vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich will nach Hause, jetzt!«
Gefährliche Untertöne, unterdrückte Hysterie dringt an die Oberfläche. DelMonico gibt mir Zeichen. Ich ziehe Cinthi auf die Füße, lege den Arm um ihre Schultern, murmle Tröstendes, wie zu einem verstörten Kind.
Verdammt, was sollen wir mit diesem irren Junkie anfangen, wohin mit der ausgeflippten Schwester? Das hier ist der Traumjob jedes Cops. Del spricht in ihr SCom, wir können nur hoffen, dass sie die richtigen Kontakte hat. Die Sache kann uns mehr als nur den Job kosten, viel mehr. Ich möchte niemandem erklären müssen, was wir ausgerechnet in Hillside zu suchen hatten.
Zwei Stunden später kommt ein Einsatzwagen der DWNTN-Zentrale, die Kennzeichnung ist verdeckt, mit Dreck verschmiert wie in einem dieser alten Gangsterfilme. Keine volle Besatzung, nur der Fahrer hinter verdunkelter Panzerscheibe, nur eine anonyme Silhouette.
»Steigt hinten ein, alle.« Elektronisch verzerrte Stimme. »Und beeilt euch!«
Man kann über meine Partnerin sagen, was man will, sie versteht es, die Dinge zum Laufen zu bringen, sie kennt die Tricks. Und sie versteht es, zur rechten Zeit Gefälligkeiten einzulösen.
»Wo bringt ihr uns hin?« Cinthi klingt immer noch klein und ängstlich. Plötzlich sind da zu viele Fragen und zu wenig Antworten. War es richtig, die beiden CF-Agenten zu rufen, sind sie vertrauenswürdig?
»Wo ist Williams?« Die Gegenfrage von DelMonico.
»Wohin?«, beharrt sie.
»Sag’s ihr, Del, ich würd’s auch gerne wissen.«
»Uptown, ruhiges Haus, keine Fragen. Diskretion hat ihren Preis.« Sie taxiert die Schwestern, ihr Designer-Outfit. »Das ist doch kein Problem, oder?«
»Kredit?« Cinthi lacht, als wollte sie nie mehr aufhören.
Ich schüttel sie, pack sie an den Oberarmen. Sie ist schlagartig ruhig.
»Entschuldigung.« Sie macht sich los. »Kreditwürdigkeit war noch nie ein Problem in unserer Familie.« Sie kichert leise. Ein Privatwitz der Govers, vermute ich. »Dieses Haus, gibt es da Ärzte?«
»Die besten«, behauptet meine Partnerin.
Unausgesprochen bleibt, dass Shirette vermutlich keine Ärzte mehr braucht, nur noch leichtfüßige Wärter mit großen Händen und bequemen Zwangsjacken in Pillenform.
»Gut, reden wir übers Geschäft«, sagt Del.
Fassungsloser Blick von Cinthi. Die elegante Uptownerin hat in den letzten Stunden eine Überdosis Wirklichkeit verabreicht bekommen.
Del ist das egal. »Gefallen gegen Gefallen, verstanden?«
Cinthi nickt.
»Also, wie war das mit diesem Anruf, mit Stardust?«
»Viel weiß ich auch nicht.« Sie überlegt. »Ich denke, es war vor ungefähr vier Monaten, da erzählte mir Shirette von diesem Mann, Winston Jay Warring – dass sie mit ihm zusammen ist. Aber sie war nicht glücklich, meine kleine Schwester. Ich bat Zeke, ihn zu überprüfen. Hätte ich bloß nichts gesagt.« Nur eine kleine Bitte, nur ein Anruf, und eine Welt bricht zusammen. Eine ganz alte Geschichte. »W.J. hat nicht nur eine Menge Kontakte ganz oben, sondern auch eine interessante Vergangenheit, sagt Zeke. Er
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