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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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doch, dass er an mich denkt. Warum dieses lange Schweigen? Eigentlich kennen wir uns gar nicht. Und trotzdem war alles so vertraut in jener Nacht. Damals hatten wir uns Wärme gegeben, obwohl wir nicht froren. Wie wird es diesmal sein, das Berühren? Verdammt, ich mag es nicht, wenn ich diese Gedanken habe. Solche Gedanken und Gefühle waren mir immer fremd, und das war gut so.
    »City Jet, identifizieren Sie sich und nennen Sie den Grund Ihrer Anwesenheit in New Frontier.« Die barsche Stimme reißt mich in die Wirklichkeit.
    »City Force-Agent Donovan im Außeneinsatz«, melde ich mich.
    Die barsche Stimme hört nur zwei Worte. »Die City Force hat keine Jurisdiktion in New Frontier. Weiterfahren.«
    So nicht! Ich bringe den Sega vor der Sicherheitsschranke zu Boden. Ein Sicherheitsposten kommt widerwillig aus seinem klimatisierten Wachhaus – Kevlar-Uniform mit unübersehbarem SpaceCraft-Logo, die Derringer Handgun im Anschlag. Was für ein Auftritt. Er umrundet den City Jet. Kommt dann zur Fahrerseite rum. Ich kann seine Augen nicht erkennen, sein Visor reflektiert nur mein schwitzendes Gesicht.
    »Was wollen Sie?« Seine Stimme wird durch den Schutzhelm verzerrt.
    Ich öffne das Fenster, eine Hitzemauer erschlägt mich. »Brubaker, Stephen. Ich werde erwartet«, japse ich.
    »Ha’m wir hier nicht«, sagt der Sicherheitsmann.
    Die Mündung der Derringer zielt jetzt auf mein Gesicht. Er bewegt den kurzen Lauf ruckartig, bedeutet mir, weiterzufahren. Ich rühr mich nicht von der Stelle. Der Arsch hat nicht mal in seiner Datenbank nachgesehen.
    »Brubaker, Stephen«, wiederhole ich stur. »Ist vor elf Wochen von der Downtown-CF hierher versetzt worden.«
    Er zuckt die Schultern und geht zurück in sein Wachhaus. Ich warte so lange, bis ich den Konvoi gepanzerter Jeeps von der anderen Seite der Absperrung auf mich zukommen sehe.

    Als ich über die öde Wüstenlandschaft zurück zur Downtown fliege, versuche ich noch einmal Bru zu erreichen – vergebens. Ich kapier das nicht. Ist er außer Reichweite? Warum hat er mir dann diese dringende Nachricht geschickt? Hör auf zu Grübeln, Donovan, deine Schicht ist längst zu Ende. Ha! Wenn’s so einfach wäre.
    Eine Stunde hinter New Frontier begegnet mir ein Shuttle mit SpaceCraft-Logo. Eine weitere Ladung zukünftiges Gefrierfleisch auf dem Weg zu den Sternen. Sie passieren so nah, dass ich die erwartungsvollen Gesichter der Menschen sehen kann. So sieht man also aus, wenn ein Traum wahr wird. Ich verspüre einen Stich Neid, und dabei ist es nicht mal mein Traum.
    Ich glaube, seit ich bei der C-Force bin, habe ich einfach zu viel Zeit zum Nachdenken. Ich bin schwach geworden.
    Chan, ich muss mit Chan sprechen. Er hat seine Methoden, er kann mir sagen, was mit Bru passiert ist.
    »Es gibt keine Unterlagen über den Transfer eines Stephen Brubaker von der DWNTN nach New Frontier.« Chan hat sich gerade in die City Force-Datenbank eingehackt. Er zuckt bedauernd die Schultern. »Bist du sicher …?«
    »Verdammt, ja, ich bin sicher«, fauch ich ihn an. »Los, versuch was anderes. Menschen verschwinden nicht einfach so.« Im gleichen Augenblick merke ich, wie dumm meine Worte klingen. Menschen verschwinden ständig. »Versuch es weiter, bitte.«
    »Schon gut«, murmelt er, und nach einer Weile: »King-Presley-Boulevard, sagt dir das was?«
    »Ist in der Uptown, glaube ich. Was ist da?«
    »Laut CF-Datenbank die Adresse von Brubaker, Stephen. Vielleicht solltest du mal hinfahren.«
    »Danke, Chan.«
    Ich bin schon zur Tür raus, doch mein Spürhund klebt mir an den Hacken.
    »Was willst du denn?«
    »Mitkommen. Aber zuerst fahren wir zum Pfandhaus. Ich will was überprüfen.«
    »Mitkommen, zuerst, überprüfen?«, echoe ich. »Seit wann triffst du hier Entscheidungen?«
    »Seit ich den ganzen Tag mit Mutter Gans verbracht habe«, knurrt er. Auch bei Chan liegen die Nerven blank.
    »Also gut, zuerst zum Pfandhaus«, lenke ich ein. Ich starte den C-Jet und programmiere die Siebte Ecke Westside in den Autopiloten. »Und wieso glaubst du, dass du diesen Melinsky um diese Tageszeit antriffst?« Wer nur halbwegs seinen Verstand beisammenhat, verrammelt in der Gegend nach Einbruch der Dunkelheit seinen Laden.
    »Melinsky ist tot.«
    »Was!?« Ich reagiere körperlich so stark auf diese Nachricht, dass ich mit dem Arm gegen die Armaturen knalle und den Autopiloten override. Der City Jet verliert schlagartig an Höhe und trudelt durch die Häuserschlucht, fängt sich wieder, fegt

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