Downtown Blues
Gekrakel einen Sinn: Verabredungen zum Essen, Treffen mit verschiedenen Personen und – »Was ist Schach?«
Chan sieht auf, ziemlich entnervt, deutet auf sein Brettspiel. »Strategie.« Plötzlich stutzt er. »Wie kommst du gerade jetzt auf Schach?«
»Steht hier, in dem Notizbuch. ›Bei Abel vorbeischauen, mit ihm über neues Schachprogramm sprechen‹. «
»Schach, hm? Vergessen wir Mutter Gans. Was steht noch drin?«
»Hier, das klingt interessant: ›DWNTN-HQ, Charlie von schwarzem Cadillac erzählen‹. Wer, verdammt, ist Charlie? Sieht aus, als hätte der alte Mann in ziemlichen Schwierigkeiten gesteckt.«
»Noch was?«
»Ich fürchte ja. Nur zwei Worte: ›SpaceCraft absagen‹.«
Zwei Worte auch von Chan: »Verdammte Scheiße.«
Stimmt. Aber da ist noch ein anderer Gedanke.
Chan spricht ihn aus. »Wenn SpaceCraft die Caddy-Typen bezahlt hat, sind wir ganz schön am Arsch, Partner«.
Ich fang schon wieder an zu schwitzen, kommt nicht von der Hitze, ist Angstschweiß diesmal. Höre fast schon meinen Nachruf: Wollte nur einen Bissen vom dicken Kuchen und hat den Mund so voll genommen, dass sie dran erstickte. Sind alle gleich, diese Straßenratten. Hast du von einer, die DelMonico zugeteilt war, was anderes erwartet? Donovan war DelMonicos Partner? Ex-Partner, Kumpel, Ex. Ja, Ex wie Exitus. Haha.
Der Fall schafft mich. Strategiespiele, die niemand mehr spielt außer einer Hand voll Oldtimer und Chan, SpaceCraft, die Company aller Companys, schwarze, hologestylte Killercars und Cops namens Charlie, wie passt das alles zusammen? Und wer ist dieser Abel?
»Wenn ich erst diese Files gehackt habe …« Chan träumt schon wieder. »Wie hoch ist die Prämie für einen lichtschnellen Raumantrieb?«
»Hoch genug, dir bei Onkel Chan ’ne flotte Urne aus der Han-Dynastie zu kaufen.«
»Sie hätten nicht versucht, uns flach zu machen, wenn sie das Zeugs schon hätten«, fabuliert er weiter. Die Hornissen scheinen auf einmal aus dem Rennen zu sein. Abwegig? Nein. Ich hab schon früh gelernt, wozu diese Mega-Companys fähig sein. Damals, mit Del auf dem Pier in Rock Sands. Noch ein Grund mehr, die Augen offen zu halten.
»Hast du was über diesen Abel in den DWNTN-Files?«
Ich rufe den Reilley/Hig-File auf. Da ist es: »Möglicher Zeuge: Abel Melinsky.«
Klar, das Pfandhaus Ecke Siebte und Westside. Wegen Todesfall geschlossen. Vielleicht war der alte J.C. ein Verwandter. Doch das war vor drei Tagen. Die Patho hat die Leiche längst freigegeben, so lange dauert keine Beerdigung. Also zurück zur Cop-Routine: Tatortbesichtigung, Spurensuche, Zeugen befragen. Wer dreht sich hier im Kreis?
Chan jedenfalls nicht. »Ich hab hier was über diesen Melinsky«, sagt er. «War vor dreiundvierzig Jahren zusammen mit Potter bei der NASA. Hat an der Entwicklung des Mars-Landers der zweiten Generation entscheidenden Anteil gehabt.«
Zwei schachspielende alte Space-Junkies? Das sind zu viele Zufälle. Kein Zufall ist, dass Morales mich über SCom anpeilt.
»Kommen Sie sofort in die Zentrale, Donovan. Keine Ausreden, sofort!« Sie klingt sauer, sehr sauer. Also gehe ich. Lasse Chan mit Mutter Gans und seiner Ratlosigkeit zurück.
»Ich erhielt vor zwei Tagen eine Info von DA Brannigan«, beginnt sie ohne Umschweife, kaum dass ich ihr Kabuff betreten habe. »StarCommunications – das ist die Firma, die das kleine Teil herstellt, das Sie am Arm tragen, CF-Agent – also, StarCom behauptet, die C-Force würde sich mit dem Potter-Fall in interne Company-Belange einmischen. Und wissen Sie, was eigenartig ist? SpaceCraft behauptet das Gleiche. » Sie fixiert mich. »Tun wir das, CF-Agent Donovan?«
Ich schüttel den Kopf. »Ich glaube nicht.«
»Sie glauben nicht?«, echot sie. »Ich habe mich für Sie verbürgt, Donovan. Obwohl ich nicht weiß, warum. Sie tauchen drei Tage unter, ignorieren meine Nachrichten, und das alles für ein ›Ich glaube nicht‹?«
»Ich hatte was zu regeln«, entschuldige ich mich lahm. Ich fühle mich schlecht. Morales hat sich für mich eingesetzt und ich lasse sie hängen. Fraser hätte schon das »S«-Wort gesagt, Morales wartet nur auf eine Erklärung. Dabei tappe ich doch selber völlig im Dunkeln. Okay, da haben wir: SpaceCraft, die seit Jahren das Monopol in der Raumfahrt haben. Mit Riesen-Werbeetat verkaufen sie den Traum vom besseren Leben und schicken ihre Kolonisten in Kältekammern zum Centauri-System. Haben Milliarden in die Entwicklung eines neuen Linear-Antriebs investiert,
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