Dr. Gordon wird Vater
wirklich zusagt — erstklassige Küche, erstes Frühstück im
Bett, ein Kerl, der dir die Hosen bügelt, und mit einmal Hupen ist man am
Piccadilly Circus. Der Haken an der Sache ist der, daß man mich in einem Zimmer
einquartiert hat, das dem Schlafgemach der Nell Gwynn nachgebildet ist, und mir
eine Menge zu essen und zu saufen gibt, aber sonst nichts. Monate werde ich
brauchen, bis ich die Gala abgezahlt hab, die ich mir kaufen mußte.»
«Aber du hast doch sicher eine Menge
reicher und adeliger Patienten?» fragte ich erstaunt.
«Gewiß», gab er zu, «mich umgibt sowas
wie ein embarras de duchesse. Aber der verdammte Hoteldirektor läßt mich
nur zehn Prozent des Honorars behalten. Du kannst dir nicht vorstellen, was für
eine gemeine Bande sich da hinter den Kulissen herumtreibt», fuhr er empört
fort. «Wenn ich einen solchen Betrieb leitete, würde ich Tag und Nacht auf der
Schwelle stehen, um meine alten Freunde einzuladen, sich auf meine Kosten an
Speis und Trank gütlich zu tun. Aber diese Bagage hier zählt einem noch die
Blasen im Sodawasser nach. Doch ich hab dich nicht hergebeten, um dich mit den
Kümmernissen eines Hotelarztes zu belästigen. Um ehrlich zu sein, alter Junge,
ich benötige dringend deines ärztlichen Rates. Und du scheinst genau der
richtige Mann für diese spezielle Angelegenheit zu sein.»
«Ich glaube nicht, daß ich dir von
großem Nutzen sein kann», erwiderte ich voll Neugier, in welcher Klemme er sich
jetzt wieder befand. «Doch ich bin herzlich gern bereit, dir mit besten Kräften
beizustehen.»
«Trinken wir noch einen Gin», sagte
Grimsdyke und zückte den Bleistift. «Gleich erzähle ich dir alles.»
5
Nachdem
uns der Kellner in einer Haltung, als reichte er eine untertänigste Petition
bei Hofe ein, die Drinks serviert hatte, blickte Grimsdyke über die Schulter,
dämpfte seine Stimme und fragte: «Hast du schon je etwas von Monica Fairchild
gehört?»
«Der bekannten Schauspielerin? Selbstverständlich!»
«Sie wohnt ebenfalls hier. Hat im
obersten Stockwerk eine Suite von der Größe der National Gallery. Ihr Gefolge
besteht augenblicklich aus einem einzigen Gatten und einer einzigen
Sekretärin.»
«Und sie gehört zu deinen
Patientinnen?» fragte ich, mit bedeutend erhöhtem Respekt zu ihm aufblickend.
Er nickte.
«Ich erkläre dir am besten gleich, daß
sie nicht leicht zu behandeln ist. Ich möchte sogar behaupten, ich bin
zeitlebens schon so manchem schwierigen Weibsbild begegnet, doch ich würde mich
lieber tagtäglich Boadiceas Kriegswagen entgegenwerfen.»
Er brach ab, als ein mageres Männchen
mit randloser Brille in die Bar lugte.
«Guten Abend, Mr. McGlew», grüßte
Grimsdyke devot. «Was macht heute die Ösophagus-Dysfunktion?»
«O. K., Doc», knurrte der Angesprochene.
«Suche nur meine Frau.»
«Das ist Mr. Harry McGlew», klärte mich
Grimsdyke auf, als die Luft rein war. «Hat mit Schweinefleischkonserven fünfzig
Millionen Dollar gemacht und muß von gesottenem Fisch leben. Geschieht ihm
recht — wenn du je dieses Zeug gekostet hast. Sind dir nicht übrigens die termini
technici aufgefallen? Sind riesig scharf drauf, die Amerikaner, ’s ist eine
Heidenarbeit, dem Patienten so ein Leiden einzutrichtern, aber die medizinische
Rubrik der Time hilft mir dabei riesig. Doch ich schweife ab.
Miss Fairchild», fuhr er fort, «lernte
ich zum erstenmal um zwei Uhr morgens kennen, als mich ihre junge Sekretärin
mit der Nachricht nach oben zitierte, die große Schauspielerin liege im
Sterben. Und als ich an ihr Bett trat, sah’s auch verdammt danach aus. Sie
schien richtiggehend in den letzten Zügen zu liegen und schrie mit heiserer
Stimme nach ihrer Mutter und ihren Agenten. Dann sah ich sie mir näher an, fand
ihre Temperatur und ihren Puls vollkommen in Ordnung, und nachdem ich mir ein
bißchen den Kopf zerbrochen hatte, erinnerte ich mich, daß sie jetzt, sehr zum
Beifall von Presse und Publikum, laufend im Old Vic die Desdemona spielt. Hast
du kapiert, wo der Hund begraben liegt, Alter? Das ganze gehörte irgendwie zu
ihrer Rolle dazu.
Ich halte ja alle Schauspielerinnen für
leicht übergeschnappt», erklärte Grimsdyke mit Wärme. «Hab seinerzeit selbst
mit einigen zu tun gehabt. Selbstverständlich nicht vom Rang einer Fairchild —
die meisten von den meinen schlugen sich als Chormädel in der Provinz durch.
Nun glaub ich ja nicht, daß Miss Fairchild durchaus eine künstlerische
Schöpfung darbieten wollte. Es war ihr einfach
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