Dr. Sex
dagegen.
Und während Prok, der Chemieprofessor und seine Frau am anderen Ende des Hauses am Küchentisch saßen, baute sie sich in der Eingangshalle vor mir auf und gab mir die volle Breitseite. »Du bist so ein Dummkopf«, fuhr sie mich an. »So ein Trottel. Du bist ein Weichei, das bist du. Ein Weichei.«
»Gefällt es dir nicht?«
»Ich finde es gräßlich. Und sie manipulieren dich, merkst du das eigentlich nicht? Prok und der Professor und seine Frau – sie können’s gar nicht abwarten, diese ... diese Schuhschachtel an den Mann zu bringen. Meinst du wirklich, ich will in diesem Haus den Rest meines Lebens verbringen? Und du? Willst du das? Es ist ein Loch. Es hat überhaupt keinen Stil, nichts, Null, Zero. Da bleibe ich lieber, wo ich bin. Oder ... oder ich ziehe wieder nach Michigan City, zu meinen Eltern, auf die Milchfarm. Milchkühe. Alles, nur nicht das hier.«
»Könntest du ein bißchen leiser sprechen? Was ist, wenn sie dich hören?«
»Na und? Und wenn sie mich hören?«
Einen Augenblick lang standen wir nur da, sahen einander an und lauschten auf die kleinen Geräusche des Hauses – ein Ächzen, ein Knacken, das verklingende Scharren von Nagetierfüßen. »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Mir gefällt’s eigentlich ganz gut.«
»Es gefällt dir ganz gut? Du mußt verrückt sein. Ich weigere mich, darüber überhaupt noch zu reden. Vergiß es. Hast du gehört? Ver- giß es.«
Das Ganze endete damit, daß Prok dem Professor und seiner Frau sagen mußte, wir würden uns bei ihnen melden – Iris fühle sich nicht wohl, es sei eine schwierige Schwangerschaft, ihre erste, und daher sei sie auch schon hinaus zum Wagen gegangen, ohne sich zu verabschieden und ihnen für die Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft zu danken –, und dann setzten wir uns ebenfalls in den Wagen, und Prok begann mit seiner Predigt. Sie lasse sich eine einmalige Gelegenheit entgehen. Dieses Haus sei ein Schnäppchen. Gewiß, es gebe noch andere Häuser auf der Welt, jede Menge sogar oder jedenfalls einige, selbst jetzt, nach dem Krieg, wo Häuser knapp seien, und natürlich gebe es geschmackliche Unterschiede, aber angesichts dessen, was wir uns leisten könnten – und hier warf er mir quer über die Sitzbank einen bedeutungsvollen Blick zu –, dürften wir nicht erwarten, etwas Praktischeres oder Günstigeres zu finden.
Iris hörte ihm geduldig zu, während wir dort am Bordstein standen. Schließlich drehte er den Zündschlüssel und ließ den Buick an. Und dann sagte sie mit leiser, aber fester Stimme: »Ich habe hier eine Anzeige.«
Prok zeigte ihr sein Profil. Er hatte den Hut fest auf seine steife Frisur gedrückt. »Eine Anzeige?«
»Ich hab sie aus der Zeitung ausgeschnitten. Hier: ›Hübsches Farmhaus, 1887, 3 Schlafzimmer, Küche, Eßzimmer, gemauerter Kamin, Innentoilette, massiv gebaut‹ – und es kostet weniger als das hier.«
»Achtzehnhundertsiebenundachtzig?« sagte Prok ungläubig. »Ein Farmhaus? Was wollt ihr mit einem Farmhaus? Moment mal – wo, hast du gesagt, ist das?«
Sie sagte es ihm.
»Aber das ist zwölf bis fünfzehn Kilometer außerhalb. Mindestens. Da braucht ihr einen Wagen.«
»John will schon lange einen. Findest du nicht, daß er mit achtundzwanzig endlich einen verdient hat?«
Ich hielt den Mund. Das Gebläse unter der Windschutzscheibe begann zu zischen, und der Wind verwirbelte den Auspuffqualm und schlang ihn vor meinem Fenster zu Knoten.
»Darum geht es nicht, Iris. Darum geht es ganz und gar nicht. Ich sage nur, ihr müßt wirtschaftlich denken. Ein Wagen bedeutet mehr Ausgaben, für Benzin, Öl, Unterhalt. Und dann das Projekt, unsere Reisen – willst du wirklich ganz allein da draußen auf dem Land sitzen? Und dann auch noch mit einem Baby?«
Iris’ Stimme war leise und hartnäckig. »Wir können es uns doch wenigstens ansehen, oder?«
Das Haus lag nach Proks Kilometerzähler 7,8 Kilometer jenseits der Stadtgrenze an einer Seitenstraße der Hauptstraße nach Harrodsburg. Es gehörte kein Land dazu – die Farm hatte während der Wirtschaftskrise Bankrott gemacht –, abgesehen von dem einen Morgen Grund, auf dem das Haus stand. Hinter dem Haus war ein kleiner Garten mit Apfel-, Pfirsich- und Birnbäumen. Der Besitzer war ein alter Mann mit krummem Rücken und Händen wie Baseballhandschuhe, ein Witwer, der nach Heltonville, zur Familie seines Sohnes, ziehen wollte. Iris gefiel der offene Kamin im Wohnzimmer, ein großes Ding, in dem man früher gekocht hatte, und ihr gefielen
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