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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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starken Willen wie er, und während sie eine echte geistige Verwandtschaft mit Mac spürte, wurde sie mit Prok nie recht warm. Trotzdem war sie immer oder beinahe immer sehr höflich zu ihm, und zwar nicht nur aus angeborener Liebenswürdigkeit, sondern auch weil sie wußte, wie schwierig meine Position war. Aber ich glaube, tief drinnen ärgerte sie sich darüber, wie groß Proks Einfluß auf mich war. Auf uns war. Und dann war da natürlich noch Corcoran, die ganze traurige, demütigende Affäre, eine offene Wunde – Corcoran, immer Corcoran.
    Der Hausbesitzer war ein Assistenzprofessor vom Lehrstuhl für Chemie, der eine volle Professur an der DePauw University antrat und seinen Umzug vorbereitete. Zusammen mit seiner Frau begrüßte er uns an der Tür, wechselte einen kryptischen Blick mit Prok und bat uns herein. Ich sah eine schöne Treppe aus Eichenholz und eine hübsche Blumentapete, Iris sah eine enge Eingangshalle und ein Haus, das in den Fugen ächzte, mit Räumen, die den Grundriß von Güterwaggons hatten, und Fenstern, durch die man bloß die Fassade des Nachbarhauses sah – der Alptraum eines Klaustrophobikers. Der mißbilligende Ausdruck (tiefliegende Augen, V-förmig zusammengezogene Brauen, gespitzter Mund, als wäre sie im Begriff, etwas auszuspucken) verließ während der ganzen Besichtigung nicht ihr Gesicht, nicht als Prok und der Chemieprofessor uns im Keller einen Vortrag über die Vorzüge der Heizungsanlage hielten und auch nicht beim kulinarischen Tête-á-tête mit der Dame des Hauses an dem schmalen Tisch in der schlauchförmigen Küche. Als Prok, der Professor und ich von der Besichtigung des Gartens und des Schuppens zurückkehrten, trank sie eine Tasse Tee und starrte mit leerem Blick auf einen Teller mit Lebkuchen, während die Frau des Professors (Ende Zwanzig, unscheinbar, kinderlos, das Gesicht ein Zeugnis beständiger Besorgnis) im Plauderton einen Monolog über Iris’ Zustand hielt und darüber, welch ein Segen Kinder seien. Oder sein mußten.
    »Also«, sagte Prok, »was meint ihr? Milk? Iris? Ist das nicht ein nettes Häuschen? Und schön nah am Campus, ein Vorteil, den man nicht unterschätzen sollte.«
    Der Chemieprofessor (und da ich seine Frau aus den Tiefen der Erinnerung heraufgezerrt habe, sollte ich ihn vielleicht ebenfalls beschreiben: Er war zehn bis zwölf Jahre älter als seine Frau, hatte eine angeborene Mißbildung – einen Klumpfuß –, weswegen er von der Armee als untauglich ausgemustert worden war, und sprach so langsam, daß er vermutlich ganze Legionen angehender Chemiker zu Tode gelangweilt hatte), der Chemieprofessor also beteuerte, es gebe auf der ganzen Welt kein schöneres Haus als dieses, und seine Frau und er könnten sich nur schweren Herzens dazu durchringen, es zu verkaufen. »Ich habe schon daran gedacht, daß ich ja nach Crawfordsville pendeln könnte, aber das darf ich dem Wagen nicht zumuten –«
    »Und dir selbst auch nicht«, unterbrach ihn seine Frau und sah mit einem scharfen Blick von ihrer Teetasse auf.
»Ja. Natürlich. Und so haben wir uns entschlossen, es zu verkaufen, wenn auch nur widerwillig. Aber so ist das eben. Das Leben geht weiter, nicht?«
Prok stand hinter dem Stuhl der Frau und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Er hatte den Mantel aufgeknöpft und den weichen Hut und die Handschuhe in die Taschen gestopft, so daß er aussah, als würde er aus seinen Kleidern quellen. »Und der Preis?« sagte er. »Ist das ein Festpreis?«
Ich sah, wie das Gesicht des Professors den Ausdruck wechselte. »Eigentlich schon«, sagte er zögernd, »aber es gibt schon noch ein Fitzelchen Spielraum« – er sagte tatsächlich ein Fitzelchen Spielraum – »vorausgesetzt, die Milks sind wirklich interessiert und nicht nur hier, um uns die Ehre ihrer Anwesenheit zu geben.« Er lachte ein bißchen. »Wobei wir uns natürlich geehrt fühlen, am zweiten Weihnachtstag ein so sympathisches junges Paar zu Besuch zu haben, nicht, Doreen? Und dann die Vorstellung, daß wir das Glück haben, ihnen beim Start in ihre Zukunft helfen zu können ...«
»Was würden Sie zu zehneinhalb sagen?« sagte Prok. »Und fünfzehn Prozent als Anzahlung?«
In diesem Augenblick meldete sich Iris zu Wort. »Ich glaube, ich möchte mal kurz mit meinem Mann sprechen«, sagte sie und sah jedem der Anwesenden in die Augen, bevor sie ihren Blick schließlich auf mich richtete. »Wenn niemand etwas dagegen hat.«
O nein. Nein, nein. Niemand hatte etwas

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