Dr. Sex
Wohnzimmer, zog mit zwei schnellen, ruckartigen Bewegungen Hut und Handschuhe aus und schob sich durch den Perlenvorhang, um einen argwöhnischen Blick in die Küche zu werfen, als wäre er ein Inspektor vom Bauamt, der sich von der Qualität der Rohrleitungen überzeugen wollte. Ich spürte, daß mich Scham überkam. Die Wohnung war klein, aber Iris besaß, wie gesagt, ein echtes Talent für Inneneinrichtung, und für uns reichten diese zwei Zimmer – oder vielmehr: sie hatten bisher gereicht –, doch nun, da Prok dastand und die Möbel musterte, kam mir alles ein bißchen schäbig vor, und ich fühlte mich, als hätte ich ihn irgendwie enttäuscht, als hätte ich bis zu diesem Punkt in meinem Leben etwas Besseres auf die Beine stellen müssen.
»Interessantes Stück da, auf dem Couchtisch, die Aphrodite«, sagte er. »Ist das das Ding, das du für Iris in New York gekauft hast?«
»Ja. In dem Geschäft, von dem ich dir erzählt habe.«
»Die Mutter von Eros, sexuell entfesselt. Man kann die alten Griechen wirklich nicht als verklemmt bezeichnen, was?«
»Nein«, sagte ich. »Wohl kaum.«
»Sehr schön. Ich würde sagen, dein Geschmack macht Fortschritte, Milk, eindeutig.«
Ich stand im Morgenrock da, einen Meter von ihm entfernt, in der Enge der Küche, die sauberer, heller, schöner hätte sein können, und wußte nicht, was ich sagen oder tun sollte. Ich überlegte, ob ich ihm Kaffee anbieten und ihn bitten sollte, doch Platz zu nehmen, während ich Iris weckte und mich anzog, aber dann wiederholte ich bloß benommen, was er eben gesagt hatte, als wäre es erst jetzt zu mir durchgedrungen: »Termin? Was für einen Termin?«
Er musterte stirnrunzelnd den Küchenschrank, öffnete die Türen, bis er eine Tasse gefunden hatte, nahm die Kaffeekanne vom Herd und schwenkte sie prüfend. »Beim Makler«, sagte er und schenkte sich ein. »Oder vielmehr beim Besitzer. Ich habe bereits mit ihm gesprochen, vorhin, um halb sieben. Iris ist doch schon auf, oder?«
Das Haus lag günstig, wie Prok gesagt hatte, zwei Blocks näher am Campus als Proks eigenes, allerdings in einem Viertel, das sich mühte, den Anschein zu wahren, während der vornehmere Zug der herrschaftlicheren Häuser in Richtung Süden und Osten führte. Was mir ganz recht war. Ich erwartete keinen Palast, und wenn es hier eine starke Konzentration von Pensionen und Studentenwohnungen gab, so zeigte das nur, wie beliebt die Gegend war. Iris war sich da nicht so sicher. Prok und ich hatten am Küchentisch gesessen, Kaffee getrunken und ein wenig von dem Obstkuchen gegessen, den Hilda Rutledge uns am Vortag geschenkt hatte, und dem gedämpften Wechselspiel von Iris’ Würgen und der Klospülung gelauscht. Prok klopfte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden und sah alle zwei Minuten auf die Uhr, doch um zehn vor acht trat sie in ihrem besten Kleid aus dem Badezimmer, die Haare in einer seidig schimmernden schwarzen Welle aus der Stirn gebürstet. Sie war allerdings blaß und sagte nicht viel, als ich ihr auf den Rücksitz des Buick half und mich auf den Beifahrersitz setzte.
Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln sprach sie erst wieder, als wir vor dem Haus anhielten. »Es sieht irgendwie komisch aus«, sagte sie, und da wußte ich schon, daß es ihr nicht gefallen würde. »Nicht richtig im Gleichgewicht. Die Front ist zu schmal.«
Prok schaltete die Zündung aus und sah über seine Schulter. »Weil es ein schmales Grundstück ist«, sagte er. »Zum Ausgleich ist es nach hinten ziemlich lang, wie wir gleich sehen werden.«
»Und die Farbe«, sagte sie. Ihr Atem ließ das Fenster beschlagen, und ihr Gesicht rings um das bedenkliche Oval ihres Mundes war vollkommen ausdruckslos. »Wie kann man ein Haus nur mauve streichen? Das ist doch Mauve, oder?«
»Sieht für mich eher nach Braun aus«, sagte Prok.
»Oder Blau«, sagte ich.
»Ich weiß nicht. Ich hatte mir etwas Älteres erhofft«, sagte sie, als Prok ausstieg, um ihr die Tür zu öffnen. »Aus Stein oder Ziegeln vielleicht, mit einer größeren Veranda.«
»Alter? Das hier ist von 1924«, sagte Prok, »also nicht gerade neu. Und ihr wollt ja auch eine halbwegs moderne Ausstattung. Manche alten Häuser sehen hübsch aus, aber für den Besitzer sind sie ein Alptraum: schlechte Rohrleitungen, veraltete Elektrik, alle möglichen baulichen Schäden, verzogene Böden und so weiter. Nein, glaubt mir, ihr braucht so was wie das hier, etwas Neueres.«
Aber Iris glaubte ihm nicht. Sie hatte einen ebenso
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