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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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die gescheuerten, leicht ausgetretenen Eichendielen, auf denen man wie von selbst in das gedämpfte Licht des kleinen Zimmers und das sonnige Tal der Küche glitt. Sie hatte noch nie etwas derart Solides gesehen wie das Fundament oder die handbehauenen Bohlen der Veranda – oder den Brunnen, ein regelrechtes Kleinod. Prok gefiel das Haus überhaupt nicht. Es war unpraktisch, ein Faß ohne Boden, und er beschwor mich – »Willst du wirklich deine ganze Freizeit zu Hause verbringen, in der einen Hand einen Hammer, in der anderen einen Pinsel?« –, doch ich ahnte bereits, was Iris meinte, konnte mir bereits vorstellen, was sie mit ihrem Geschick und Geschmack daraus machen würde, und sagte nichts.
Auf dem Rückweg, im Wagen, als Iris und ich eifrig die Möglichkeiten erörterten – »Dieser Raum unter der Treppe ist ein perfektes Arbeitszimmer, John, dein eigenes Arbeitszimmer« –, spielte Prok seine Trumpfkarte aus. Die verschneiten Felder zogen vorbei, die Reifen griffen nur auf den Asphaltflecken zwischen den Eisplatten und Buckeln aus festgefahrenem Schnee, und Prok war ungewöhnlich schweigsam. Doch plötzlich erhob er die Stimme und sagte: »Ich weiß nicht, ob ich euch unter diesen Umständen das Geld leihen kann. Das soll heißen, John« – und er wendete den Blick von der Straße und sah mich von der Seite an –, »wenn ich den Kauf nicht gutheißen kann, und das kann ich ganz und gar nicht. Ich will schließlich, daß meine Investition sicher ist.«
Iris gab ihm Zunder, und zwar mehr, als ich gut fand, aber sie hatte recht, das muß ich zugeben. »Wir sind dir sehr dankbar für alles, was du für uns getan hast«, sagte sie und biß in die Worte, als müßte sie für jede Silbe bezahlen, »aber du mußt verstehen, daß wir in diesem Haus leben werden, nicht du. Es ist unsere Entscheidung, nicht deine. Und wenn wir uns finanziell übernehmen, dann werde ich mir eben noch einen zweiten Job suchen und Böden schrubben oder was weiß ich. Aber wir werden es schaffen, mit deiner oder ohne deine Hilfe.«
»Das glaube ich nicht«, sagte er und behielt seine Stimme nur mit Mühe unter Kontrolle.
»Iris«, sagte ich.
»Nein, John, laß mich ausreden.«
Der Buick schlingerte wie ein Schiff auf hoher See. Proks Hände am Lenkrad wurden weiß. Die Reifen kämpften um Haftung und rutschten über eine gewellte weiße Eisplatte.
»Hör zu, Prok«, sagte sie und beugte sich vor. Ihre Finger krallten sich in den Stoff der Sitzlehne hinter seinen Schultern, und sie reckte den Kopf nach vorn, damit er sie gut verstehen konnte. »Wenn du glaubst, daß ich mir etwas vorschreiben oder mich erpressen lasse, daß ich mich zu irgend etwas drängen lasse, was ich nicht will, dann kennst du mich nicht besonders gut.« Ein Rumpeln und dann das lange, leise Zischen von Gummi auf Eis. »Nein«, sagte sie, »dann kennst du mich kein bißchen.«
5
    Ende Januar gehörte das Haus uns, und obwohl Prok auf meine Frage recht kurz angebunden reagierte, gab er mir einen Tag frei und lieh mir für den Umzug den Nash (der zwar eine aus geschlagene Lenkung hatte und nicht mehr zuverlässig war, aber noch lief und sich für Transporte eignete). Corcoran und Rutledge hatten mir ihre Hilfe angeboten, aber da der Erscheinungstermin des Bandes über das sexuelle Verhalten des Mannes näherrückte und Prok zunehmend nervös wurde, waren sie unabkömmlich. Also heuerte ich für einen Tag einen Helfer an, und gemeinsam zerlegten wir das Bett, schraubten die Beine des Küchentischs ab und trugen Sessel und Sofa hinaus. Die größeren Sachen kamen in den Nash, den Prok zu einer Art Transporter umgebaut hatte, während ich in meinem Wagen – dem 38erDodgeD8 Coupe, den ich, einen Tag nachdem wir ein Angebot für das Haus gemacht hatten, für zweihundertfünfzig Dollar gekauft hatte, denn was für einen Sinn hatte es, Geld zu sparen, wenn wir es jetzt brauchten? – Kisten und Kartons transportierte, voller Kleider, Geschirr, Schallplatten, Bücher, Kosmetika, Silberbesteck, Besen, Bürsten, Werkzeug, Töpfe, Pfannen, Lebensmittel und dem ganzen Rest der angesammelten und benötigten Dinge, die Mitte des 20. Jahrhunderts in einem amerikanischen Haushalt zu finden waren, und es war schon erstaunlich, wieviel wir in fünf Jahren angehäuft hatten.
    Iris war in ihrem Element. Ich wollte nicht, daß sie sich überanstrengte – sie war jetzt im vierten Monat und bekam ein kleines Bäuchlein, das allerdings nur bei bestimmten Lichtverhältnissen zu sehen war

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