Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
Vom Netzwerk:
Halbkreise aus Licht, wie sich verfinsternde Himmelskörper. Mir fiel auf, daß Prok ihm keinen Drink anbot.
Es klopfte an der Tür, und die Rutledges und Corcorans trafen gemeinsam ein. Violet trug einen Pelzmantel und darunter ein tief ausgeschnittenes Kleid, das ihren Busen zur Geltung brachte, Hilda eine rosarote frühlingshafte Jacke und ein gürtelloses Kleid, das, wäre es nicht so streng gemustert gewesen, auch als Nachthemd hätte durchgehen können, Rutledge war elegant wie immer, und Corcoran hatte den Kamelhaarmantel und seine schicken Schuhe an. Ihre Gesichter waren von der Kälte gerötet, und sie stampften mit den Füßen auf und legten die Mäntel ab. Ihre lebhaften Stimmen vermischten sich zu einem Rezitativ der Ankunft. Prok war mit einem Mal ganz geschäftig, schob alle in die stickige, tropische Wärme des Wohnzimmers, verteilte die Drinks und begann sogleich, neue zu mixen. Bei Iris machte sich bereits die Wirkung des ersten Glases bemerkbar: Ehre Augen glänzten, und ihr Mund war ganz leicht geöffnet, als schnappte sie nach Luft oder als versuchte sie, sich an den Text eines Liedes zu erinnern, das niemand außer ihr hören konnte. Sie sagte etwas zu Hilda, etwas über die Klarinetten, und ihre Worte schritten in sinem gemessenen Adagio dahin. Sie stand breitbeinig da, um das Gleichgewicht besser zu halten, und lächelte mir, als sie einmal kurz nerübersah, verschwörerisch zu: Der musikalische Abend blieb uns erspart und hatte sich unversehens in eine Party verwandelt. Mit Freunden. Guten Freunden. Unseren besten Freunden. Ich hätte sie im Arm nehmen und hinaus zum Wagen führen sollen, ich hätte sie nach Hause bringen sollen, aber ich tat es nicht.
Für alle, die es nicht wissen, sollte ich erwähnen, daß ein Zombie ein besonders starker Drink ist. Er wird in einem hohen Glas serviert. Das Glas muß hoch sein, um all das Zeug zu fassen, aus dem dieser Cocktail besteht: 6cl weißer Rum, je 3 cl brauner Rum und Apricot Brandy, etwas Ananassaft und Sirup, um die Schärfe des Alkohols zu mildern, und auf das Ganze kommt dann noch eine Schicht siebzigprozentiger Rum. Ein Glas von diesem Getränk, und ich spürte jenes vertraute Prickeln in Händen und Füßen, an dem ich gewöhnlich erkenne, daß meine Rutschpartie auf der langen, spiegelglatten Schräge der Trunkenheit bereits begonnen hat. Und was tat Prok? Er machte uns betrunken, seinen engsten Kreis, seine intimsten Vertrauten, und wenn wir dann betrunken waren und unsere Hemmschwelle herabgesetzt war, würden wir hinaufgehen. Iris Speicherzimmer.
Wir beobachteten einander, die Männer jedenfalls, denn wir ahn- ten, was kam, und waren ängstlich und erregt zugleich. Rutledge saß auf einem der Eichenstühle am Tischende, stützte die Arme auf die Knie und unterhielt sich mit Violet und Mac, als wäre alles ganz normal. Seine portugiesischen Augen funkelten mich an, während Corcoran mir einen triumphierenden Blick zuwarf und ein kurzes, scharfes, eruptives Lachen hören ließ. Der Cocktailshaker machte die Runde. Die Uhr in der Halle schlug zur vollen Stunde, aber welche Stunde es war, weiß ich nicht. Und dann klopfte Prok mit dem langen silbernen Cocktaillöffel an den Shaker. »Darf ich um eure Aufmerksamkeit bitten?« sagte er, und die Unterhaltungen erstarben mit einem wiehernden Lachen von Hilda Rutledge über eine Bemerkung, die Violet gemacht hatte.
Prok trug wie immer einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine Fliege, doch ich dachte unwillkürlich, daß seine fleischfarbenen Shorts dem Anlaß angemessener gewesen wären. Sein Kopf – diese Massigkeit, diese Festigkeit, der Haarschopf, die strengen Züge, die harten, kalten, empirischen Augen – schien wie aus Bronze gegossen. Er war ein Riese unter Zwergen. Ich wäre ihm überallhin gefolgt. »Mac, Aspinall und ich haben eine Überraschung für euch, eine längst überfällige Überraschung, und wenn ihr einfach Ted hier folgt« – er wies auf Aspinall, der mit hängenden Schultern und der dunklen Brille, die das Licht verschluckte, an der Wand lehnte –, »werdet ihr sehen, worin sie besteht.«
Ich weiß nicht mehr, was mir durch den Kopf ging, aber ich folgte der Gruppe die Treppe hinauf wie ein Kind auf einem Ausflug. Iris ging vor mir, und die Parfümdüfte der Frauen hingen über der Treppe wie ein Rauschmittel – als hätte ich eins gebraucht. Die Stufen knarrten unter unseren Schritten. Prok sagte etwas, das ich nicht verstand, und Mac war auch da, an seiner

Weitere Kostenlose Bücher