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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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wohl spät werden würde, wollte sie wissen. Nein, eher nicht – und fuhren zu Prok.
    Wir waren die ersten, was an sich schon ungewöhnlich war. Mac nahm uns die Mäntel ab, und Prok, der ganz und gar vom Mixen der Cocktails in Anspruch genommen war – es waren Zombies –, saß auf einem Stuhl, den er an den Couchtisch im Wohnzimmer gezogen hatte, und rief uns einen knappen Gruß zu. Im Kamin brannte diesmal kein Feuer, dennoch war es warm im Haus, und es roch schwach nach Zentralheizung, nach dem Brenner im Keller und erwärmten Heizkörpern und Leitungen, und angesichts von Proks spartanischem Lebenswandel war auch das seltsam. Als wir eintraten, erhob er sich, um uns zu begrüßen: ein Küßchen auf die Wange für Iris, für mich einen Händedruck und sein berühmtes Lächeln, und es war wieder einmal, als wäre ich heimgekehrt, als hätte ich das mir bestimmte Ziel erreicht, den Ort, der mir auf meiner vaterlosen Lebensbahn als Heimat zugewiesen worden war. Proks Haus. Proks und Macs Haus. Eine Welle von Gefühlen durchlief mich – ich kann nicht sagen, warum, ich weiß nicht, was dieser Augenblick an sich hatte, daß ich so bewegt war, aber ich glaube, es hatte etwas mit Beständigkeit zu tun und mit der Tatsache, daß diese mir mit einem Mal bewußt wurde. Prok hätte es wahrscheinlich als bloße chemische Reaktion bezeichnet, als Fluktuation der Hormonspiegel. Das und sonst gar nichts.
    »Einen Zombie?« fragte er und drückte uns, bevor wir etwas sagen konnten, die hohen kalten Gläser in die Hände.
Ich bemerkte, daß noch keine Stühle aufgestellt waren, daß das Licht über dem Grammophon nicht brannte und die Platten noch allesamt in ihren Hüllen im Regal standen. Das schien auch Iris aufgefallen zu sein, denn sie nahm einen großen Schluck und fragte mit einer Stimme, die vielleicht ein kleines bißchen zu beflissen klang: »Brauchst du Hilfe mit den Stühlen, Prok? Für den musikalischen Abend, meine ich. Es ist doch ein musikalischer Abend, oder?«
Prok war mit den Cocktails fertig, jedenfalls mit der ersten Partie: Auf dem Couchtisch stand ein Tablett mit vier beschlagenen Gläsern, die auf die anderen Gäste warteten. Er stand auf und rieb sich die Hände, als hätte er wieder mal saubere Arbeit geleistet. »Nein«, sagte er und sah Iris an, »wir haben beschlossen, heute abend etwas ganz anderes zu machen ...«
Aspinall schlug die Tür zum Speicherzimmer zu und stapfte die Treppe herunter. Wir alle sahen ihn an, als er mit Sonnenbrille und Regenmantel ins Wohnzimmer schlurfte. Die Wärme erschien mir plötzlich drückend – ich mußte meinen Krawattenknoten lockern –, und ich fragte mich, wie er das aushielt.
»Ist oben alles bereit?« fragte Prok, und ich spürte eine erste leichte Beschleunigung des Herzschlags.
Aspinall kam zu uns geschlurft, senkte den Kopf, um über seine Brille hinwegzusehen, und nickte Iris und mir kurz zu, bevor er antwortete: »Ja, alles fertig. Bis auf die Scheinwerfer.«
»Gut«, sagte Prok.
»Das wäre reine Stromverschwendung.«
»Gut.«
Mir war nie aufgefallen, wie blaß Aspinall war, wie blut- und farb- los er wirkte. Es war, als hätten all die Stunden in der Dunkelkammer ihn ausgelaugt, und unwillkürlich fragte ich ihn, ob alles in Ordnung sei – »Was ist los, Ted? Brütest du irgendeine Krankheit aus oder was?« –, anstatt mich an Prok zu wenden und eine Antwort auf die Frage zu verlangen, die in meinem Kopf zuckte und trat wie ein ungeborenes Kind: Was sollte hier gefilmt werden, und wenn etwas gefilmt werden sollte, warum waren dann unsere Frauen ebenfalls eingeladen?
Ted stieß ein kurzes Lachen aus und nickte Iris noch einmal zu. Sein Gesicht war ausdruckslos, doch seine Mundwinkel zeigten immer leicht nach oben, so daß er selbst im Ruhezustand aussah, als amüsierte er sich im stillen über einen Witz. »Das hat mich meine Mutter auch immer gefragt«, sagte er. »Teddy, du mußt raus, an die frische Luft, und mit den anderen spielen, Baseball oder so, du brauchst ein bißchen Sonne, aber ich glaube, ich bin nun mal ein Nachtmensch. Verdammt, im Village ist keiner vor zwölf Uhr mittags auf den Beinen – und das sind die Frühaufsteher.«
»Ich könnte auch den ganzen Tag schlafen«, sagte Iris. Wir drei sahen sie an. »Und das würde ich wohl auch, wenn John junior nicht wäre. Aber ihr wißt ja, wie es ist mit einem bald Vierjährigen ...«
Aspinall hatte keine Ahnung. Seine Augen waren hinter den getönten Gläsern kaum zu erkennen:

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