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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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aufschwang.
    Dort stand eine hübsche junge Frau und spähte in den Raum, als hätte sie sich möglicherweise in der Tür geirrt. Sie war nach der neuesten Mode gekleidet und sah aus, als wäre sie soeben, nach einem Abend mit erlesenem Essen, Tanz und Champagner, aus einem Nachtclub in der Forty-second Street getreten. Sie lächelte zögernd. »Oh, hallo«, sagte sie. »Ich war mir nicht sicher, ob ich hier ...«
    Ich ging zu ihr, ergriff ihre Hand und schüttelte sie kurz und professionell. »Es ist... es ist sehr freundlich, daß Sie gekommen sind, und auch wichtig, ja, wichtig ... Weil jede Geschichte, ganz gleich, wie umfangreich oder umfangarm ... ich meine ... zu dem Gesamtbild auf eine Weise beiträgt ...«
    Plötzlich ging in ihrem Gesicht ein Lächeln auf, ein strahlendes Lächeln, das in meinem Bauch ganze Vogelschwärme aufscheuchte und im Kreis fliegen ließ. »Oh, es ist mir ein Vergnügen«, sagte sie, als ich sie mit einer Geste einlud, sich zu setzen, und ihr dabei zusah. »Alles für die Wissenschaft, nicht?«
    Ich bot ihr eine Zigarette an – sie wählte Lucky Strike –, gab ihr Feuer und wünschte, es wäre nicht neun Uhr morgens, sondern neun Uhr abends, so daß wir etwas trinken könnten. Ein Drink hätte meine Nerven enorm beruhigt.
    »Gut«, sagte ich und beugte mich, den Bleistift in der Hand, über den Fragebogen. »Also, Mrs. Foshay, vielleicht möchten Sie mir etwas über sich selbst erzählen –«
    »Alice. Nennen Sie mich Alice.«
»Gut. Alice. Leben Sie schon lange hier, in Lafayette, meine ich?« Das einleitende Geplauder, das, wie gesagt, dazu diente, den Befragten zu entspannen, dauerte etwa fünf Minuten. Dann fror mein Gehirn ein. Unwillkürlich stellte ich fest, daß Mrs. Foshays Brüste die Bluse sehr gut füllten, ja den Stoff geradezu spannten, und daß die durchsichtigen Strümpfe ihren Beinen einen seidigen Schimmer verliehen. Ein Augenblick des Schweigens kroch dahin wie ein Güterzug. »Also gut«, sagte ich, »na, dann. Bis zu welchem Alter, sagten Sie, haben Sie in Trenton gelebt?«
    Während wir uns durch die allgemeinen Angaben arbeiteten (Anzahl der Brüder, der Schwestern, Zwillingsstatus, Mitgliedschaft in einer studentischen Verbindung, Häufigkeit von Kinobesuchen usw.), gelang es mir, einen Rhythmus zu entwickeln und in einem einfachen Frage-Antwort-Muster zu bleiben, und auch die ersten fortlaufenden Fragen nach dem Beginn der Pubertät machten keine Schwierigkeiten, doch als wir in sensiblere Bereiche vorstießen, knickte ich leider ein wenig ein. »Wann haben Sie begonnen zu masturbieren?« fragte ich und zündete mir eine Zigarette an.
    »Das muß mit elf gewesen sein«, antwortete sie und zog an ihrer Lucky. »Oder vielleicht mit zwölf.« Sie legte den Kopf in den Nacken, stieß den Rauch aus und wirkte so entspannt, als säße sie beim Friseur oder unterhielte sich am Telefon mit einer Freundin. »Wir wohnten damals noch in Newark, und ich kann mich an die Vorhänge erinnern. Meine Mutter hatte sie genäht, als ich noch klein war, sehr bunt und bedruckt mit Figuren aus irgendwelchen Kindergeschichten, Grimms Märchen und so. Meine Schwester Jean – sie ist ein Jahr älter als ich – hat mir gezeigt, wie es geht.«
    Ich legte die Zigarette in den Aschenbecher und machte eine Notiz in dem entsprechenden Kästchen. »Ja? Würden Sie die Technik beschreiben?«
    Sie wollte die Augen niederschlagen, doch ich hielt sie mit meinem Blick fest. Ich blinzelte nicht. Ich rührte mich nicht.
»Na ja, Sie werden das jetzt vielleicht seltsam finden, Sie werden es vielleicht nicht glauben –«
»Nein«, sagte ich, und meine Stimme war so gepreßt, daß ich Mühe hatte, einen Ton herauszubekommen. »Nein, ganz und gar nicht. Es gibt keine Praktik, die wir nicht verzeichnet haben, und überhaupt hat Prok, hat Dr. Kinsey ja gestern in seinem Vortrag darauf hingewiesen, daß wir keine Urteile fällen ...«
Das schien sie zu ermutigen. Sie schob ihre Frisur zurecht. Ihre Haare waren toupiert und oben mit einer Spange zu einer Rolle geformt, und der Rest war zu einer ausladenden Pompadourfrisur gebürstet, die an Dolly Dawn erinnerte – die meisten werden sie aus George Halls Band kennen (»It’s a Sin to Teil a Lie« sollten Sie noch im Ohr haben, auf jeden Fall aber »Yellow Basket«). »Na ja«, sagte sie, »ich bin sehr gelenkig. Jean ebenfalls. Und mein Bruder Charlie auch.«
»Ja?« sagte ich, den Stift bereit.
»Wir – Jean und ich – setzten uns nebeneinander

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