Dr. Sex
Gynäkologen präsentiert hätte, in der Tür erschien. Er sah mich unverwandt an und sagte oder vielmehr krächzte dann: »Bin ich hier richtig?«)
Aber Iris. Gleich nach der Arbeit eilte ich über den Campus zum Wohnheim. Zuvor, als Prok und ich uns ausrechnen konnten, daß wir nicht vor sieben fertig sein würden, hatte ich angerufen und bei der Rezeptionistin hinterlassen, daß ich direkt von der Arbeit kommen und sie zum Abendessen ausführen würde (Iris, nicht die Rezeptionistin, obwohl auch die attraktiv war). Sie solle sich also bitte ein wenig gedulden. Und obwohl ich nicht mit ihr persönlich sprechen und meine Gefühle daher nur andeuten konnte, fügte ich hinzu, daß ich mich sehr freute, sie wiederzusehen. Nach so langer Zeit. Sehr. Wirklich sehr.
Um Viertel nach sieben war ich im Wohnheim, doch Iris ließ mich warten. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht wollte sie mich aus Prinzip ein bißchen leiden lassen, vielleicht verwendete sie besondere Mühe auf ihr Kleid und ihr Make-up, um den Eindruck, den sie auf mich machen würde, zu verstärken, vielleicht kostete sie auch nur das Vorrecht der Frauen aus, die die Gejagten sind und daher tun und lassen können, was sie wollen. Jedenfalls sprang ich alle paar Minuten vom Sofa auf und ging in der Eingangshalle auf und ab, sehr zum Mißfallen der Rezeptionistin, die wenigstens so tat, als würde sie in dem Buch lesen, das aufgeschlagen vor ihr lag. Ich war angespannt, doch ich hätte nicht sagen können, warum. Vielleicht war es ganz natürlich, die Vorfreude eben – wir waren beinahe drei Monate getrennt gewesen, hatten uns geschrieben und Schnappschüsse geschickt und einander unsere Liebe erklärt. Ich konnte nicht behaupten, daß ich den Sommer über einsam gewesen wäre, schließlich hatte ich ja Prok und Mac gehabt und lange Stunden unterwegs oder am Schreibtisch verbracht, aber diese Briefe waren für mich wohl auch eine Gelegenheit, ihr meine Hoffnungen und Ambitionen zu zeigen (und auch meine Ängste: ich würde, wie praktisch alle anderen jungen Männer auf dem Campus, irgendwann meinen Einberufungsbescheid erhalten), und das machte den Augenblick unseres Wiedersehens um so bedeutender. Und belasteter. Ich hatte auch Liebesgedichte zitiert – »Nun, da Finsternis um unsre Liebe ist / Komm, Licht der Finsternis, Blut meines Herzens, komm!« –, und jetzt würde ich zeigen müssen, wie ernst es mir war. Und sie ebenfalls. Aber liebte sie mich überhaupt noch? Hatte sie vielleicht einen anderen kennengelernt? War ich ihrer würdig?
Es war kurz vor acht, und mindestens dreißig Frauen waren die Treppe heruntergekommen, aus der Tür zum Allerheiligsten getreten, von ihren Freunden begrüßt und umarmt worden und längst im Kino, auf der Eislauf bahn oder auf dem Rücksitz eines Wagens angekommen, als Iris endlich erschien. Ich ging auf und ab und war am anderen Ende des Aufenthaltsraums, als ich das leise Zischen des pneumatischen Türschließers hörte. Ich fuhr herum, und da stand sie. Darf ich etwas Überflüssiges sagen? Sie war sehr schön, sie war mehr als schön: Sie war etwas Besonderes, die eine unter Millionen, weil ich ihr geschrieben und den ganzen Sommer an sie gedacht hatte, weil sie Iris McAuliffe war und mir gehören würde, wenn ich wollte. Das wußte ich. Ich wußte es in dem Augenblick, in dem ich sie sah. Das war Liebe. Das war es.
Doch wie sah sie aus? Sie hatte sich das Haar legen lassen, so daß es in raffinierten Wellen über ihre Schultern fiel und das Medaillon an ihrem Hals einrahmte, das Medaillon, das ich ihr geschenkt hatte, und wessen Bild war jetzt darin? Ihr Kleid – blau, ärmellos, der Saum knieumspielend – war neu und eigens für diese Gelegenheit gekauft worden, und ihre Augen, stets das Auffallendste an ihr, schienen mich quer durch den Raum anzuspringen (ein Irrtum, den, wie ich später feststellte, geschickt aufgetragene Wimperntusche, Lidschatten und Rouge bewirkt hatten). Sie kam mir kleiner vor, dunkler und schöner, als ich sie in Erinnerung hatte. Ich stand hilflos da und sah sie an, als sie auf mich zukam und sich umarmen und küssen ließ.
»Du bist wieder da«, sagte sie.
»Ja. Und du auch. Habe ich Tommy verpaßt?«
Sie nickte. »Er muß arbeiten und hatte nur einen Tag Zeit. Er war enttäuscht, aber er wußte ja, daß du in ... Wo warst du noch mal?« »An der Purdue. Und an der DePauw.«
»Er wußte jedenfalls, daß du zu tun hattest.« Die Rezeptionistin starrte uns an, als könnte sie durch
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