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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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gelungen wäre, Iris irgendwie mitten in der Nacht durch ein Fenster im ersten Stock ins Haus zu schmuggeln, wäre da das Problem meines neuen Zimmergenossen gewesen, eines Burschen namens Ezra Voorhees, der aus einem winzigen Dorf stammte und dessen Gefühlswelt und Körperpflegegewohnheiten, milde gesagt, rustikal waren. Es war frustrierend. Iris und ich schmusten stundenlang im Aufenthaltsraum oder in der Bibliothek, bis ich Schmerzen hatte – körperliche Schmerzen, die nach Meinung der anderen Studenten von »dicken Eiern« herrührten, laut Prok jedoch auf zuviel angestaute Samenflüssigkeit in Hoden und Samenleitern zurückzuführen waren, und dann blieb mir nichts anderes übrig, als auf mein Zimmer zu gehen und mir unter der Bettdecke Erleichterung zu verschaffen, während mein Zimmergenosse so tat, als schliefe er. Wann immer ich konnte, ging ich zu Mac, aber ich fühlte mich nicht mehr gut dabei.
    Es war Prok, der die Lösung vorschlug. Er hatte mir, wie gesagt, im Sommer das Autofahren beigebracht, und als ich ihm jetzt meine Situation schilderte, bewies er wieder einmal, wie großzügig er war und wie weit seine Bereitschaft ging, mir einen Gefallen zu tun. Ich weiß noch, daß ich das Thema während einer unserer Reisen anschnitt (wir waren unterwegs nach Gary, zu einem bestimmten Negerviertel, doch davon später) und daß er sich lächelnd zu mir wandte und sagte: »Ja, und es ist ja auch an der Zeit, Milk. Du brauchst zusätzliche Triebbefriedigung, wie wir alle. Nimm doch den Wagen. Nimm den Nash. Wann immer du willst.«
    »Aber ich will dir – oder Mac – keine Ungelegenheiten machen.« »Ach was – wir brauchen den Wagen abends sowieso nicht. Ich werde den Schlüssel einfach hinter den losen Ziegelstein legen, den wir im letzten Sommer nicht repariert haben – hinten im Garten, in dem Mäuerchen um den Persimonenbaum. Weißt du, welchen ich meine?«
Und so hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Automobil zur freien Verfügung. Allerdings würde ich besonders vorsichtig sein müssen, denn der Wagen stellte den größten Sachwert des Projekts dar. Was hätten wir ohne ihn anfangen sollen? Jedenfalls machte ich mich, kaum daß wir von dieser Reise zurück waren, auf die Suche nach Iris – ich traf sie auf der großen quadratischen Grünfläche, sie war unterwegs zum nächsten Seminar – und sagte ihr, daß ich sie abends stilvoll abholen würde.
»Stilvoll?« sagte sie. Sie schenkte mir ein wissendes Lächeln. Der Wind hob die Krempe ihres Huts an und ließ sie flattern wie einen Vogelflügel.
»Genau«, sagte ich. »Mit einer eigenen Limousine, zu Ihren Diensten, Mademoiselle.«
»Kinseys Wagen«, sagte sie. »Die Käferkarre. Der Wespenwagen.«
»Wir fahren ein bißchen raus aus der Stadt. Zu einem Rasthaus. Zur Feier des Tages.«
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »In Kinseys Wagen?«
»Ist doch besser als nichts.« Ich kam mir vor, als wäre ich in eine Shakespeare-Komödie versetzt worden und würde im Wald von Arden oder auf einer sonnigen Piazza in Messina geistreiche Bemerkungen mit Rosalind oder Beatrice wechseln. Doch leider waren wir in Indiana, es war Winter, und Iris ließ mich zappeln. Nur so zum Spaß.
»Kennst du denn irgendwelche Rasthäuser? Bist du schon mal in einem gewesen?«
»Klar«, log ich. »Dutzende Male.«
»Und dann?« fragte sie mit schelmischem Blick.
»Dann wollen wir essen und trinken und fröhlich sein.« »Und dann?«
»Und dann«, sagte ich und beugte mich zu ihr, während der Wind an meinem Kragen zerrte und Studenten mit blassen, frierenden Gesichtern an uns vorbeieilten, »dann suchen wir uns eine ruhige, dunkle Straße und sind mal ganz ungestört.«
Trotz allem, trotz all der Überlegungen, die ich angestellt hatte, um mit Iris allein zu sein, ganz zu schweigen von den Phantasien, denen ich mich hingab, war ich an jenem Abend sehr nervös. Das Rasthaus war alles andere als romantisch, eine verrauchte, schummrig beleuchtete Höhle voller Betrunkener mit anzüglich grinsenden Gesichtern, und das Essen war von der Art, die den schlechten Ruf der Küche von Indiana voll und ganz rechtfertigte. Ich hatte etwas, das angeblich Rindfleischeintopf war und auf dem eine mindestens einen Zentimeter dicke Fettschicht schwamm; dazu bekam ich ein paar weiche Salzcracker, die anscheinend helfen sollten, das Fett aufzusaugen. Iris schob auf ihrem Teller ein Stück Fleisch hin und her, das hierorts als »Salisbury Steak« bezeichnet wurde. Schließlich gab sie es auf,

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